Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träum süß, kleine Schwester

Träum süß, kleine Schwester

Titel: Träum süß, kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
Bord«, beruhigte ihn Carol. »Jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muß zum Captain.«
    Tom war gerade vom Navigationsbüro
    hereingekommen. Er nickte ihr zu, als sich ihre Blicke trafen. Carol fragte sich, wann ihr Herz endlich aufhören würde, schmerzhaft und wie verrückt zu hämmern, sobald sie ihn auch nur flüchtig sah. Höchste Zeit, daß er für sie zu einem Piloten unter vielen würde und sie den hochgewachsenen, attraktiven Mann in der dunklen Uniform vergäße, den sie von ganzem Herzen geliebt hatte.
    Ihre Stimme klang unverbindlich, ihre grauen Augen musterten ihn kühl: »Sie wünschen mich zu sprechen, Captain?«
    Tom erwiderte im gleichen sachlichen Ton: »Ich wollte wissen, ob Sie nach Paul geschaut haben.«
    Beschämt mußte Carol zugeben, daß sie seit der Landung in Danubia vor einer Stunde nicht mehr an den Chefsteward gedacht hatte. Paul litt unter der Folgeerscheinung mehrerer Seruminjektionen und war in der Koje geblieben, während die Maschine für den Rückflug nach Frankfurt aufgetankt wurde.
    »Nein, Captain. Das Versteckspiel, das unsere Freunde veranstalten, hat mich zu sehr abgelenkt.«
    Tom nickte. »Ich möchte um keinen Preis in der Haut dieses armen Kerls stecken, wenn sie ihn schnappen. Sie sind sich ganz sicher, daß er hier irgendwo auf dem Flugplatz ist.«
    Für einen kurzen Augenblick klang Toms Stimme vertraut, freundschaftlich, und Carol sah ihn gespannt an.
    Doch dann wurde er wieder ganz Captain, der zur Stewardeß sprach. »Gehen Sie bitte an Bord und stellen Sie fest, ob Paul etwas braucht. Die Passagiere lasse ich dann vom Check-in-Mitarbeiter nach draußen bringen.«

    »In Ordnung, Captain.« Und damit wandte sie sich zum Ausgang.
    Der kalte Flugplatz wirkte trostlos im Halbdunkel des Oktoberabends. Drei Polizisten kletterten in die nebenan geparkte Maschine. Der Anblick ließ sie erschauern, als sie an Bord ging und sich auf die Suche nach Paul machte.
    Er schlief, sie breitete behutsam eine weitere Decke über ihn und kehrte in die Kabine zurück. Noch zehn Minuten, dann sind alle eingestiegen, dachte sie nach einem Blick auf die Uhr. Sie zog ihren Taschenspiegel hervor und fuhr sich mit dem Kamm durch die kurzen blonden Locken, die unter der Mütze hervorquollen.
    Da entdeckte sie, wie gelähmt vor Angst, das Spiegelbild einer mageren Hand, die sich um die Stange des kleinen offenen Schrankes hinter ihrem Sitz klammerte. Jemand versuchte sich in dieser winzigen Nische zu verstecken!
    Panisch spähte sie durch das Fenster, hielt Ausschau nach Hilfe. Die Polizeistreife hatte die andere Maschine verlassen und steuerte jetzt in ihre Richtung.
    »Legen Sie den Spiegel weg, Mademoiselle.« Die Worte kamen leise, verständlich, mit starkem Akzent. Sie hörte, wie die Kleiderbügel beiseite geschoben wurden, fuhr herum und sah sich einem mageren, etwa siebzehnjährigen Jungen mit dichtem blonden Haar und intelligenten Augen gegenüber.
    »Bitte – haben Sie keine Angst. Ich tue Ihnen nichts.« Er sah aus dem Fenster auf die rasch herannahende Polizei.
    »Gibt’s hier noch einen zweiten Ausgang?«
    Carols Angst änderte sich schlagartig. Das Gefühl einer drohenden Katastrophe, das sie erfüllte, galt jetzt ihm. In seinen Augen spiegelte sich Schrecken, wie ein gefangenes Tier wich er vom Fenster zurück, streckte Carol die Hand entgegen, bittend, drängend, seine Stimme klang flehend: »Wenn sie mich finden, werden sie mich töten. Wo kann ich mich verstecken?«
    »Ich kann Sie nicht verstecken«, protestierte Carol. »Die werden Sie finden, wenn sie die Maschine durchsuchen, und ich kann die Fluggesellschaft da unmöglich mit reinziehen.« Sie sah Toms Gesicht deutlich vor sich, wenn die Polizei einen blinden Passagier an Bord entdeckte, noch dazu, wenn sie ihn verbarg.
    Füße stapften die Gangway hinauf, Metall klirrte unter schweren Schuhen. Pausenloses, lautes Hämmern an der geschlossenen Tür.
    Wie hypnotisiert starrte Carol dem Jungen in die Augen, sah die düstere Hoffnungslosigkeit darin. Hektisch schaute sie sich in der Kabine um. Pauls Uniformjacke hing im Kleiderschrank. Sie zerrte sie heraus und angelte sich die Mütze von der Hutablage. »Ziehen Sie das an, fix.«
    Ein Hoffnungsschimmer erhellte das Gesicht. Mit Windeseile machte er die Knöpfe zu und stopfte das Haar unter die Mütze. Es hämmerte wieder gegen die Tür.
    Carols Hände waren feucht, ihre Finger taub. Sie schob den Jungen auf den Sitz in der letzten Reihe, öffnete zitternd die Mappe

Weitere Kostenlose Bücher