Träum süß, kleine Schwester
mit den Reisepapieren und warf ihm Zolldeklarationen in den Schoß. »Machen Sie ja nicht den Mund auf. Wenn sie mich nach Ihrem Namen fragen, werde ich sagen, Sie heißen Joe Reynolds und kann dann nur beten, daß sie die Pässe nicht kontrollieren.«
Ihre Beine trugen sie kaum zur Kabinentür. Als sie am Griff zog, überfiel sie schockartig die Erkenntnis, was sie da tat und wie jämmerlich durchsichtig die Tarnung war.
Sie fragte sich, ob sie die Polizei irgendwie von einer Durchsuchung der Maschine abhalten könnte. Der Griff drehte sich, die Tür schwang auf. Sie blockierte den Eingang und zwang sich zu einem verärgerten Ton, als sie den Polizisten gegenüberstand. »Der Steward und ich sind mit der Prüfung unserer Papiere beschäftigt. Was ist der Anlaß für diese Störung?«
»Sie wissen doch sicher, daß eine Fahndung nach einem entflohenen Verräter stattfindet. Sie haben kein Recht, die Polizei bei ihrer Arbeit zu behindern.«
»Hier wird meine Arbeit behindert. Ich werde das dem Captain melden. Sie haben kein Recht, ein amerikanisches Flugzeug zu betreten.«
»Wir durchsuchen jede Maschine auf dem Platz«, herrschte sie der Anführer an. »Gehen Sie jetzt zur Seite?
Es wäre höchst unliebsam, wenn wir uns gewaltsam Zutritt verschaffen müßten.«
Carol sah ein, daß es keinen Sinn hatte, weiter zu streiten, und ließ sich schleunigst auf dem Platz neben dem Jungen nieder, drehte sich mit dem ganzen Körper zu ihm, so daß ihr Rücken der Polizei den direkten Blick auf ihn verwehrte. Sein Kopf war über die Papiere gebeugt. In der schwachen Beleuchtung wirkte die Uniform durchaus annehmbar, und das Fehlen einer Krawatte fiel bei der gebückten Haltung nicht auf.
Carol nahm ein paar Deklarationen von seinem Schoß und sagte: »Los, Joe, bringen wir’s hinter uns. ›Kralik, Walter, sechs Flaschen Kognak, Wert dreißig Dollar. Eine Uhr, Wert …‹«
»Wer ist außerdem noch an Bord?« fragte der Anführer.
»Der Chefsteward, er schläft in der Koje«, erwiderte Carol nervös. »Er war sehr krank.«
Der Blick des Wortführers glitt ohne jedes Interesse über
»Joe« hinweg. »Sonst niemand? Das ist die einzige amerikanische Maschine hier. Wäre nur folgerichtig, daß der Verräter auch auf sie zusteuert.«
Der zweite Polizist hatte die Toiletten, den Kleiderschrank und den Boden unter den Sitzen untersucht. Der dritte kam aus der Kanzel zurück. »Da vorn ist nur ein Mann, der schläft. Viel zu alt für unseren Gefangenen.«
»Er wurde vor fünfzehn Minuten hier in der Nähe gesichtet«, ereiferte sich der Wortführer. »Er muß irgendwo stecken.«
Carol sah auf die Uhr. Eine Minute vor acht. Die Passagiere mußten auf dem Weg über den Flugplatz sein.
Sie mußte die Polizei loswerden, den Jungen verstecken –
alles in einer Minute …
Sie erhob sich, achtete darauf, daß sie Joe mit ihrem Körper verdeckte. Durch das gegenüberliegende Fenster sah sie, daß sich die Tür des Warteraumes öffnete, und wandte sich an den Wortführer. »Sie haben das Flugzeug durchsucht. Meine Passagiere gehen gleich an Bord.
Würden Sie jetzt bitte die Maschine verlassen?«
»Sie scheinen es merkwürdig eilig zu haben, uns loszuwerden, Stewardeß.«
»Ich habe meinen Papierkram noch nicht erledigt. Wenn ich mich um die Passagiere kümmere, läßt sich das schwer nachholen.«
Schritte eilten die Gangway hinauf. Ein Bote erschien und teilte dem Wortführer mit: »Der Kommissar wünscht unverzüglich einen Bericht über die Durchsuchung.«
Zu Carols Erleichterung hasteten alle drei Polizisten hinaus.
Der Check-in-Mitarbeiter und die Passagiere standen am Fuß der Gangway, als die Polizisten herunterkamen. Die Besatzung stieg durch den Vordereingang ein.
»Joe!« rief Carol. Der Junge hatte den Sitz verlassen und kauerte im Gang. Carol zog ihn ins Heck und zeigte auf die Herrentoilette. »Da rein. Ziehen Sie die Uniform aus und machen Sie niemandem auf, nur mir.«
Sie stand an der Kabinentür und empfing den Check-in-Mitarbeiter und die Fluggäste mit einem gezwungenen Lächeln. Er überreichte ihr die Passagierliste und wartete, während sie alle begrüßte und placierte.
Die Liste enthielt sechs Namen. Fünf waren getippt, der letzte, »Wladimir Karlow«, handschriftlich eingetragen.
Daneben stand: VIP.
»Wer ist diese sehr wichtige Person?« erkundigte sich Carol leise.
»Ein ganz hohes Tier, der Polizeichef von Danubia.
Einer der grausamsten Bluthunde hier, also fassen Sie ihn mit
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