Träum süß, kleine Schwester
hatte ihr eine Zigarette angeboten, wobei seine linke Hand auf der Armlehne ruhte. Wußte er von dem Fleck am Ärmel, der bei seiner untadelig eleganten Erscheinung garantiert auffallen würde?
Carlson hatte die Flugkarte auf den Schoß gelegt, als er nach seiner Brieftasche angelte. Wäre es nicht viel natürlicher gewesen, sie in der einen Hand zu halten und mit der anderen die Brieftasche herauszuholen?
Jen eilte aus dem Waschraum, zog die Tür entschlossen hinter sich zu. So oder so, sie mußte unbedingt die Unterseite der Jackenärmel von allen drei Männern sehen.
Auf dem unteren Teil der Küchentür thronte ein volles Tablett. Allan hatte das Dinner fertig. Sie flitzte den Gang hinunter und schnappte sich das Tablett. Allan war nicht mehr zu Scherzen aufgelegt. Er blickte vom Herd hoch, aus dem er die dampfenden Gerichte herauszog, und fuhr sie leise an: »Was, zum Teufel, ist eigentlich mit dir los?
Du weißt doch genau, daß alles zu Mus wird, wenn es abkühlt, aber du verschwindest einfach spurlos, wenn ich mit dem Dinner fertig bin.«
Jen begann unverzüglich, die Tabletts zu verteilen. Als sie zu Hastings kam, waren keine Papiere mehr zu sehen, seine Aktenmappe stand geschlossen auf seinem Sitz, und er hatte das Jackett angezogen. Er griff mit beiden Händen nach dem Tablett, und auf beiden Ärmeln war keine Spur von einem Fleck. Von Kopf bis Fuß der wohlerzogene Geschäftsmann, der ordentlich aufräumte, bevor er sich zum Dinner setzte.
Jen war erregt. Wenn ihre Vermutung stimmte, konnte sie Hastings von ihrer Liste der Verdächtigen streichen.
Andrew Clinton war der nächste. Doch als sie ihm das Tablett anbot, schüttelte er den Kopf. »Nein, vielen Dank.
Ich könnte keinen Bissen runterbringen.«
Jen blieb nichts anderes übrig, als das Tablett einer der vier Frauen zu reichen, die sagte: »Das sieht ja köstlich aus!«
Nun war Carlson an der Reihe. Er langte mit der rechten Hand nach dem Tablett, so daß Jen die Unterseite des Ärmels sehen konnte, die fleckenlos war. Sie wollte kehrtmachen, dann sagte sie: »Ach herrje, ich glaube, Ihr Kaffee ist übergeschwappt. Hoffentlich hat Ihr Ärmel nichts abbekommen.« Sie beugte sich herunter, zog die linke Hand hoch und untersuchte den Ärmel gründlich.
Wiederum Fehlanzeige.
Sie ging nach vorn in die Küche, um der Crew das Dinner zu servieren. Wenn sie mit ihrer Vorahnung richtig lag, mußte Andrew Clinton Jr. der angeblich besorgte Sohn, die Papiere gestohlen haben. Als sie die Crew bedient hatte, stellte sie zwei Tassen dampfenden Kaffees, eine kleine Zuckerdose und ein Sahnekännchen auf ein Tablett.
Clinton schaute aus dem Fenster und drehte sich verdutzt um, als sie sich neben ihm niederließ. Mit einem unschuldigen Augenaufschlag erklärte sie lächelnd: »Ein Schluck Kaffee tut Ihnen bestimmt gut. Und vielleicht lenkt es Sie auch ein bißchen ab, wenn Sie mit jemand reden. Falls Sie nichts dagegen haben, trinke ich meinen Kaffee hier bei Ihnen.«
Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als ihr Angebot anzunehmen. Sie registrierte, daß er vorsichtig mit der Linken nach der Tasse griff, die Rechte in den Schoß legte und Sahne und Zucker ablehnte. Entweder trinkt er ihn gern schwarz, überlegte sie, oder er möchte nicht mit der anderen Hand nach der Sahne langen.
Sie schwatzte ziellos auf ihn ein. Sie schwärmte von London – ob er schon mal dort gewesen war? Nachtflüge hatten immer etwas Aufregendes. Dann brach sie ab. »Ist das nicht eine fantastische Wolkenbank?« Er blickte auf, als sie mit der Kaffeetasse in der Hand auf den Himmel deutete. Absichtlich hielt sie die Tasse schräg, so daß ein paar Tropfen auf seine rechte Hand fielen. Fluchend zog er sie weg, ließ sie dann wieder auf sein Knie sinken – doch vorher hatte Jen den Fleck auf der Unterseite des rechten Ärmels gesehen.
Ich darf ihn nicht merken lassen, daß ich Bescheid weiß, schoß es Jen durch den Kopf; er würde eher die Papiere vernichten, als sie bei sich zu tragen, wenn er sicher wäre, daß sie ihn durchschaut hatte. Sie kümmerte sich nicht um seinen Ärmel, zog ihr Taschentuch heraus und tupfte ihm behutsam die Hand ab.
»Es tut mir schrecklich leid.« Die paar Worte atemlos zu stammeln, fiel ihr leicht. Sie sah ihm ins Gesicht. Die Augen blickten wütend, abwägend, aber als sie sich unentwegt entschuldigte, wurden sie ruhiger, besänftigt.
»Ist doch wirklich nicht der Rede wert«, sagte er.
»Bitte regen Sie sich nicht so auf.«
»Sie sind
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