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Träum süß, kleine Schwester

Träum süß, kleine Schwester

Titel: Träum süß, kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Sonnenstrahlen stärker in seine Richtung gelenkt wurden. »Die Idee stammt von der sogenannten Heizdecke«, erklärte er dem Reporter. »Ach, Unsinn, wahrscheinlich ist Ihnen auch das kein Begriff.«
    Er kaute an seiner Zigarre, überlegte, daß man mit 146
    Jahren darauf achten mußte, nicht auf Ereignisse oder Gegenstände zu verweisen, die mehr als zwei Generationen zurückdatierten. Sonst dachten die Leute womöglich, man wäre nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
    »Sir Winston«, sagte der Reporter und zückte den Bleistift, »ich habe jeden Band Ihrer Memoiren gelesen, bis auf den neuen. Wenn Sie nun auf Ihr langes, erfülltes Leben zurückblicken, welchen Moment halten Sie für Ihre größte Bewährungsprobe? Wann traten Ihrer Meinung nach Ihre Führungsqualitäten und Ihr taktisches Geschick am deutlichsten in Erscheinung? War es während Englands Sternstunden im Zweiten Weltkrieg? Oder vielleicht, als Sie den Streit zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten schlichteten, die sich wegen der Mondrückseite partout nicht einigen konnten? Oder …«
    Sir Winston hob langsam die Hand. »Mein Sohn, keine dieser schrecklichen Zeiten hat mein Blut so erstarren lassen wie jene Nacht anno 1961, in der die exklusivste Schönheitskonkurrenz des 20. Jahrhunderts stattfand.«
    Er trank einen Schluck Brandy, der Gedanke daran machte ihn schaudern. »Das war während der ersten Regierungszeit von Elizabeth II.«, sagte er. »Jacqueline Kennedy saß in den Vereinigten Staaten im Weißen Haus
    – als First Lady natürlich, nicht als Präsidentin. Die erste Präsidentenwahl, bei der eine Frau gewann, fand erst fast ein Vierteljahrhundert später statt. Fabiola von Belgien war jung verheiratet. Fürstin Gracia Patricia von Monaco war für ihre Schönheit berühmt. Sirikit von Thailand und Farah Diba aus dem Iran – na ja, irgend jemand äußerte die Ansicht, Schönheit sei völkerverbindend, und schlug auf dieser Basis ein internationales Treffen vor, und aus alldem entwickelte sich ein Schönheitswettbewerb zwischen den genannten Damen. Als Richter fungierten Chruschtschow aus der Sowjetunion, Nehru aus Indien und de Gaulle aus Frankreich. Ich spürte es in den Knochen, daß das ein halsbrecherischer Drahtseilakt würde, aber niemand glaubte mir; und da diese Damen in Begleitung ihrer Ehemänner erscheinen sollten, bot sich obendrein die Gelegenheit zu einem inoffiziellen Gipfeltreffen.«
    Er griff wieder zum Brandy. »Also wurde als erster Preis eine Medaille angefertigt – eine Miniaturweltkarte, die Ländergrenzen mit Edelsteinen markiert – Schätzwert eine Million Pfund. Ich war Zeremonienmeister, und die Times titulierte mich ›Sir Bert Parks‹ – den Grund dafür habe ich nie herausgefunden. Jemand hatte eine schauderhafte Hymne für die Siegerin komponiert. Nach monatelangen Vorbereitungen war alles fertig. Der Ballsaal im Buckingham-Palast war hergerichtet. Einladungen wurden an die crème de la crème verschickt, und die Teilnehmer kamen in ihren Jets angeflogen. Und was Jets eigentlich sind, wissen Sie vermutlich auch nicht mehr.«
    Sir Winston lehnte sich im Sessel zurück und schloß die Augen. »Es kommt mir vor, als wär’s gestern gewesen«, sagte er.
    Der Reporter wartete respektvoll. Er war natürlich genau im Bilde über den Schönheitswettbewerb. Er hatte Bände darüber gelesen. Wer nicht? Es galt als Sir Winstons Meisterstück.
    Die Teilnehmerinnen standen in den Seitenflügeln bereit, um dann den überfüllten Ballsaal zu durchqueren. Die versammelten Damen trugen Haute-Couture-Modelle und Diademe, bei den Herren galt Frackzwang. Der große Saal war reich mit Blumen dekoriert. Als Sir Winston die erste Teilnehmerin ankündigte, intonierte das Orchester die ersten Takte von Glanz und Glorie. Das Publikum applaudierte nicht. Es verneigte sich.
    Im schimmernden aprikosenfarbenen Satinkleid, an ihrem weißen Hals, den schlanken Händen und im kastanienbraunen Haar funkelnde Juwelen im Wert von einer Million Dollar, schritt sie durch den Raum – Ihre Majestät Elizabeth II. von Gottes Gnaden, Königin von Großbritannien und Nordirland, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens. Sie lächelte dem Publikum verwirrt zu, grüßte mit der gewohnten Geste und nahm ihren Platz auf dem Podium ein.
    Sie nahm zum erstenmal an einer Schönheitskonkurrenz teil und verbarg ihre Nervosität hinter der königlichen Fassade; dennoch stellte sie sich die Frage, ob es ihr wohl gelingen würde, der

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