Traeum weiter Baby
und erhöhte somit den Reiz. Da ihre sonstigen Instinkte brachlagen, widmete sie sich dem Shoppen mit vollem Einsatz. Die Zeit dazu hatte sie ja.
Da ich nicht wollte, daß meine Mutter nichts mit ihrer Zeit anzufangen hatte und womöglich auf die Idee kam, über die Leere in ihrem Leben nachzudenken, und ich außerdem eine neue Jacke brauchte, sagte ich zu.
Sie war zufrieden, und wir vereinbarten, daß ich sie zurückrufen würde, sobald ich wußte, ob und wann Sascha und ich heute ins Kino gehen wollten.
Meine Mutter war unser bester, weil einziger Babysitter. Das heißt nicht, daß sie ein einfacher Babysitter war. Sie betonte immer, daß sie nichts lieber täte, als auf Möhrchen aufzupassen, aber da sie nicht mehr die Jüngste sei, sollten wir bitte nicht so lange wegbleiben, denn auch sie brauche ihren Schlaf. Aber wenn wir dann kamen, um sie abzulösen, klebte sie auf dem Sofa wie festgewachsen, nippte homöopathische Schlückchen aus ihrem fast vollen Weinglas und war nicht bereit, das Feld zu räumen, bevor |50| man sich nicht so lange mit ihr unterhalten hatte, bis einem vor Müdigkeit die Augen zufielen. Wenn sie endlich weg war, war es die Stimmung ebenfalls. Aber man muß eben Kompromisse machen, wenn man trotz Kind abends mal was unternehmen möchte. Außerdem hatten wir keine Alternativen. Mein Vater lebte in London, Sascha hatte mit seiner Familie so gut wie keinen Kontakt, und einen bezahlten Babysitter hielt er für Geldverschwendung. Die Leute, die umsonst in Frage gekommen wären, hatten entweder selber Babys oder waren wie Paula damit beschäftigt, den geeigneten Fortpflanzungspartner zu finden. Oder sie hatten einfach keine Lust, bei uns vor der Glotze herumzugammeln. Die einzige, die das freiwillig tat, war meine Mutter. Dafür konnte man sich schon mal eine Jacke kaufen lassen.
Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich in Moritz’ Zimmer. Er saß quietschvergnügt in seinem Bett und unterhielt sich mit seinem Kumpel Buzz. Ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich verschlafen hatte, und mein Kind als einzigen Ansprechpartner einen Spielzeugastronauten hatte, der, wenn man ›Toy Story‹ glauben durfte, nicht ganz richtig im Kopf war. Dann fiel mir wieder der Grund für meine Müdigkeit ein, und ich bekam eine Riesenwut auf Sascha, der ausschlafen konnte, während ich völlig gerädert gute Miene zum bösen Spiel machen mußte. Im nächsten Moment war ich dann soweit, daß ich Moritz für die ganze Misere verantwortlich machen wollte. Wenn es ihn nicht gäbe, könnte ich jetzt auch schlafen.
Aber das war nicht fair. Moritz konnte nichts dafür, daß ich mir so sehr ein Kind gewünscht hatte, daß ich mir nicht genügend Zeit genommen hatte, dessen Erzeuger genauer unter die Lupe zu nehmen.
Aber das stimmte so auch wieder nicht, denn Sascha und ich hatten uns zwanzig Monate gekannt, als ich schwanger wurde. Zwanzig Monate und ein paar Tage |51| lang war Sascha mein absoluter Traummann gewesen. Klar gab es hin und wieder Zoff, aber der richtige Streß hatte angefangen, nachdem Moritz geboren war und Sascha den Job im Club bekommen hatte. Ich hätte Hellseherin sein müssen, um eine Ahnung davon zu haben, was auf mich zukommen würde.
Als ich Sascha kennenlernte, war ich mir ganz sicher, daß er der Richtige war.
Ich hatte ein Wochenende mit Matthias beim Segeln verbracht, dessen emotionales Highlight eine erhitzte Diskussion darüber war, ob Matthias die Rechnung für das Abendessen, die er ausnahmsweise übernommen hatte, von der Steuer absetzen durfte. Die damalige Freundin von Matthias’ Kumpel war der Meinung, das sei Betrug am Steuerzahler, und so was würde das Land in den Ruin treiben. Der Kumpel war von Beruf Steuerberater und fühlte sich durch die Bemerkung auf den Schlips getreten. Er erklärte seiner Freundin die Gesetzeslage, aber sie beharrte weiterhin auf ihrer Meinung. Eine Unterhaltung unter Freunden über Segelboote und Häfen in der Karibik sei in Matthias’ Fall keine berufsbezogene Beratung, sagte sie. Daraufhin sagte der Steuerberater, sie solle die fachliche Beurteilung des Gesprächs ihm überlassen und außerdem nicht so humorlos sein. Schließlich sei er in seiner Funktion als Matthias’ Steuerberater beim Segeln. Daraufhin sagte die Freundin, daß er ihr das nächste Mal vorher Bescheid sagen sollte, wenn er sie zu einem Arbeitswochenende mitnehmen wollte. Kaum waren wir wieder in der Stadt, rauschte die Freundin beleidigt ab. Ich schloß mich ihr an,
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