Traeum weiter Baby
lachen: »Das ist fies!«
»Also, ich finde die Berge fies.«
»Außer, wenn du snowboarden willst.«
»O. k., aber im Sommer dürften sie sich von mir aus zusammenfalten. Dann hätten wir das Meer direkt vor der Tür.«
Sascha zog die Vorhänge zu und ließ sich auf den Sitz neben mir fallen.
»Ich guck lieber dich an als die Landschaft«, sagte er.
»Danke!«
Wir guckten uns in die Augen. Anstarren war früher unser Spiel gewesen, das immer der gewann, der am längsten durchhielt ohne eine Reaktion zu zeigen. Meistens war es Sascha, er hatte ein Pokerface. Aber heute machte er schlapp und küßte mich.
»Ich hab gewonnen«, sagte ich.
»Du kriegst den ersten Preis, rate mal, was das ist!«
Er beugte sich zu mir und strich mit seinen Lippen über meinen Hals. Wie knutschten ein bißchen, doch als ich seinen Ständer spürte, schubste ich ihn weg.
»Wenn wir leise sind, wacht Moritz nicht auf«, flüsterte Sascha.
Ich mußte kichern: »Und was ist, wenn der Schaffner kommt?«
Sascha lachte: »Wir sind im Eltern-Kind-Abteil. Wo sonst sollte man im Zug Kinder machen?«
Ich war platt. Dieser Mann hatte die letzten Wochen nichts anderes getan, als unsere Kleinfamilie nach Kräften zu torpedieren, und kaum saßen wir im Zug nach Italien, dachte er an Bambini.
»Wer sagt denn, daß wir ein Kind machen wollen?«
»Wir könnten zumindest üben?«
|169| »Das wäre dann das, was man unter einer Trockenübung versteht.«
Sascha grinste. »Nicht unbedingt!«
»Ich kann mich ja täuschen«, sagte ich, »aber ich hatte den Eindruck, daß du schon mit einem Kind genug ausgelastet bist.«
Sascha hätte nicht erstaunter gucken können, wenn ich ihm eröffnet hätte, daß ich in Wirklichkeit vom Mars bin.
»Wie kommst ’n du darauf? Ich liebe Kinder!«
Erstaunlich, wie manche Leute ihre Gefühle verstecken können, dachte ich, aber ich sagte es nicht.
»Und, möchtest du jetzt den Preis einkassieren«, fragte Sascha.
»Kein Sex im Zug, das ist mir zu gefährlich!«
»Was du nur immer denkst«, grinste Sascha und fischte ein grün eingewickeltes Geschenk aus seiner Reisetasche.
»Für dich!«
Er reichte mir das Päckchen.
»Eigentlich wollte ich es dir erst zu Ostern geben, aber wozu warten?«
Sascha liebte Feiertage wie Ostern und Weihnachten, das einzige, was ihn daran störte, waren die vorgegebenen Termine, die seiner angeborenen Ablehnung gegen eine verbindliche Zeitplanung widersprachen. Deshalb feierten wir die Feste, wann Sascha es sagte. Mit ihm kam man sich vor wie ein Buddhist in Wanne-Eickel oder ein Jude in Rom. Doch lieber in der Diaspora leben als gar nicht feiern.
»Mein Osterei bekommst du aber erst an Ostern«, warnte ich, »ich meine, wenn offiziell Ostern ist.«
Sascha grinste.
»Mach schon auf!«
Ich packte das Geschenk aus. Es war ein Buch.
»Es spielt in Venedig im Mittelalter«, erklärte Sascha, »ich hab was darüber in ’ner Zeitung gelesen. Es ist angeblich ziemlich spannend.«
|170| Ich fragte mich, aus welcher Zeitung er wohl seine Literaturtips bezog. Aus dem Flyer mit den Veranstaltungstips? Wie auch immer, ich freute mich über das Buch, um so mehr, als ich den ›Gott der kleinen Dinge‹ zu Hause vergessen hatte. Ich beugte mich zu Sascha rüber.
»Danke!«
Ich küßte ihn, und er nutzte den Moment, mich auf seinen Schoß zu ziehen. Da saß ich nun, und er flüsterte mir alle möglichen Schweinereien ins Ohr, die davon handelten, was er mit mir anstellen wollte, wenn wir in Venedig auf dem Hotelzimmer waren. Es hörte sich sehr vielversprechend an und ließ die Schmetterlinge in meinem Bauch flattern, bis mir die Frage durch den Kopf schoß, ob er mit Doro auch so geredet hatte, als sie zusammen an der Mauer gestanden hatten, und meine Lust zerplatzte wie ein Luftballon.
Ich löste mich aus Saschas Umarmung und setzte mich neben ihn.
»Ist was?« fragte er.
Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht mehr über Doro reden wollte. Dieser Urlaub sollte ein Neuanfang sein, und die Meeresluft sollte die alten Erinnerungen aus meinem Gehirn pusten. Sobald ich die Palazzi und Gondeln sah, würde ich sie schon vergessen, hoffte ich.
»Ich guck mal ein bißchen in das Buch«, sagte ich.
Sichtlich zufrieden über die Beachtung, die sein Geschenk erfuhr, lehnte Sascha sich zurück und schloß die Augen. Es kann auch mal ein Segen sein, daß Männer nicht besonders sensibel für die Gefühle anderer Leute sind.
Das Buch spielte im Mittelalter. Es fing damit an, daß
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