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Traeum weiter Baby

Traeum weiter Baby

Titel: Traeum weiter Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Brown
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eine Frau namens Beatrice zu einem riesigen Event in einem Palazzo am Canale Grande gerudert wurde. Während sie in der Gondel saß, beobachtete sie das Spiel der Wellen, die sich pinkfarben auf dem Wasser brachen. Sie |171| war in einer sentimentalen Stimmung, und nach drei Seiten war ich dabei, die Geduld mit ihr und den pinkfarbenen Wellen zu verlieren.
    Sascha räkelte sich in seinem Sitz.
    »Puh, ist das unbequem hier! Na, gefällt dir das Buch?«
    Ich nickte.
    Sascha zuliebe wollte ich Beatrice noch eine Chance geben. Noch eine Seite, dachte ich, aber nur, wenn sie aufhört, über pinkfarbene Wellen zu reden. Als hätte sie es geahnt, machte Beatrice eine schnelle Überleitung zum Thema Stoffe, die ähnlich sanft ihren Körper umschmiegten wie die Wellen die Gondel. Ich konnte mir ungefähr vorstellen, was sie meinte, wobei mich das Thema genausowenig interessierte. Aber es schien sich dabei um eine wichtige Hintergrundinfo zu handeln, denn ich erfuhr, daß Beatrice die Tochter eines wohlhabenden Tuchhändlers war. Doch anstatt jetzt endlich in die Geschichte einzusteigen, zog sie die Beschreibung der Stoffe ähnlich in die Länge wie die der Wellen vorhin, und ich wollte das Buch schon zuklappen, als sie anfing, von einem Typen namens Orazio zu erzählen. Beatrice war scharf auf ihn, aber leider beruhte das Interesse nicht auf Gegenseitigkeit, denn Orazio hatte noch nicht zur Kenntnis genommen, daß Beatrice überhaupt existierte. Das lag daran, daß die Weiber ihn umschwirrten wie Motten das Licht und er vermutlich den Überblick verloren hatte. Man kann sich vorstellen, daß die Sache an Beatrices Nerven zehrte, und deshalb verzieh ich ihr das Geschwafel am Anfang. Bei Liebeskummer ist es schwer, einen klaren Kopf zu behalten. Das Ganze wurde noch dadurch verschlimmert, daß Beatrices Vater unbedingt wollte, daß die Familie Venedig über den Sommer verließ. Es kursierte nämlich das Gerücht, daß in der Stadt etwas Beunruhigendes vor sich ging. Beatrice gab nichts auf das Gerede, aber der Gedanke, daß Orazio am Ende des Sommers von der Konkurrenz |172| in den Hafen der Ehe geschleppt wurde, während sie auf dem Landsitz der Familie vor sich hin schimmelte, bereitete ihr schlaflose Nächte. Ich konnte sie gut verstehen, denn dieser Orazio-Bursche war ein heißbegehrter Junggeselle. Er sah nicht nur umwerfend gut aus – sofern man sich auf das Urteilsvermögen einer Frau verlassen konnte, die stundenlang über pinkfarbene Wellen schwafelte –, sondern war darüber hinaus witzig und klug und natürlich stinkreich. Eine gute Partie also. Da Beatrices Vater beim Abendessen vor dem Fest wieder davon angefangen hatte, daß sie alle aufs Land sollten, mußte Beatrice schleunigst handeln. Orazio sollte angeblich auch auf das Fest heute abend kommen, und ich war gespannt, was Beatrice unternehmen wollte, um ihn zu ködern.
    Plötzlich blieb der Zug mit einem Ruck stehen. Sascha wachte auf und zog das Fenster runter. Warme Luft strömte ins Abteil.
    »Das muß die Grenze sein«, sagte er.
    Der Bahnhof sah aus wie aus einem Schwarzweißfilm. Wir standen am Fenster und beobachteten einen dickbäuchigen Don Camillo in Uniform, der sich mit dem Schaffner auf italienisch unterhielt. Vermutlich tauschten sie Informationen über verdächtige Personen an Bord aus, denn sie machten ernste Mienen wie Spione, die im Auftrag Ihrer Majestät ihr Land vor der Roten Gefahr retteten. Mit ihrem wichtigtuerischen Gehabe wollten sie wohl darüber hinwegtäuschen, daß das Schengener Abkommen sie zu Statisten degradiert hatte, die hier als folkloristische Dinosaurier ihr Gnadenbrot fristeten, bevor sie in die Geschichte eingingen. Sie konnten einem leid tun.
    Sascha hatte anscheinend kein Mitgefühl für die Opfer der gesamteuropäischen Umwälzung.
    »Was machen diese Kerle da?« fragte er ungeduldig. »Es gibt keine Grenzkontrollen mehr.«
    »Vielleicht ist das noch nicht zu ihnen vorgedrungen.«
    |173| »Ich geh mal raus und gucke nach, was los ist. Vielleicht kann ich uns ja was zu essen kaufen.«
    Kaum war er ausgestiegen und im Bahnhofsgebäude verschwunden, beschloß Don Camillo, das Schwätzchen zu beenden. Er winkte dem Kollegen am anderen Ende des Zuges, woraufhin der in seine Trillerpfeife blies. Ich fürchtete schon, daß der Zug ohne Sascha weiterfahren würde, doch zum Glück stürmte er jetzt aus dem Bahnhof und sprintete zum Zug, der inzwischen angeruckelt war. Sascha sprang auf, und Don Camillo schloß mit lautem

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