Traeum weiter Baby
Tragen von Shorts und Rucksack als Tourist outete. Man konnte nur hoffen, daß sie ihr Thema durchhatten, bevor wir verhungert waren. Ich versuchte mitzukriegen, worüber sie redeten. Der Dünne war Amerikaner und suchte sein Hotel. Der Kellner, der von Giovanni mit Paolo angeredet wurde, beschrieb ihm den Weg und unterstützte seine Ausführung mit entsprechenden Handbewegungen. Als der Ami, nachdem der Kellner mit der Regelmäßigkeit einer tibetanischen Gebetsmühle immer wieder denselben Text heruntergeleiert hatte, immer noch glotzte wie ein Schaf und sich nicht von der Stelle bewegte, brannte Giovanni die Sicherung durch. Er legte die Zeitung beiseite, drehte sich in seinem Stuhl um und krächzte dem Amerikaner lauthals zu, er solle einfach immer in Richtung Kirche gehen. Der Ami nickte und rührte sich nicht vom Fleck.
Jetzt wurde Sascha ungeduldig.
»Mistladen«, sagte er, »das ist doch kein Service hier!«
|190| »Ich finde es nett, daß der Typ dem Ami helfen will.«
»Also, wenn ich mir im Club so einen Service erlauben würde, könnten wir dichtmachen!«
Im Club erlaubten sie sich ganz andere Dinger, zum Beispiel, die Leute stundenlang bei Wind und Wetter vor der Türe warten zu lassen, um sie dann doch nicht reinzulassen. Aber das sagte ich nicht, weil Sascha offensichtlich in Gefahr war, sich in das Ekelpaket aus dem anderen Universum zurückzuverwandeln, und ich diesen Prozeß nicht fördern wollte. Aber Sascha brauchte meine Hilfe nicht, er redete sich ganz allein in Rage.
»Europa ist eine Dienstleistungswüste. Hier bist du doch als Kunde immer der Arsch!«
»Hast du es eilig?«
Die Ader am Hals schwoll bedrohlich an.
Ich war erschrocken. Wenn Aliens um eine Seele kämpfen, lassen sie anscheinend nicht so schnell locker.
»Du regst dich doch genauso auf wie ich«, herrschte Sascha mich an, »du gibst es nur nicht zu, weil du so verklemmt erzogen worden bist.«
Im Moment machte es den Eindruck, daß der folgenreichste Fehler in meiner Erziehung der war, daß mich niemand vor Männern wie Sascha gewarnt hatte. Aber es hatte keinen Sinn, darüber nachzugrübeln, weshalb meine Eltern diese Lektion übersehen hatten, ich war jetzt auf mich gestellt und mußte damit fertig werden.
Ich stand auf und ging zu dem Ami und erklärte ihm auf englisch, was ich glaubte, daß Paolo auf italienisch gesagt hatte. Es war zu hoffen, daß ich damit nicht völlig danebenlag, und der Ami schien überzeugt. Er lud sein Schneckenhaus auf den Rücken und schlurfte davon, und ich bestellte. Paolo nickte und wollte gerade reingehen, als Sascha mir zurief, daß er gerne ein Bier hätte.
»E una birra per favore«, sagte ich in meinem perfekten Italienisch.
|191| Als ich zurück an den Tisch kam, sagte Sascha kein Wort.
Er schmollte, bis die Getränke kamen, dann leerte er das Bier in einem Zug.
»Mann, war ich durstig!«
Ich schwieg.
Sascha legte seine Hand auf meine.
»Hey, Baby! Sei nicht sauer.«
Ich war sauer. Der Alien hatte mich an Zuhause erinnert. An den Sascha, den ich lieber vergessen hätte.
»Na, komm schon. Es tut mir leid!« sagte der nette Sascha, den ich kannte, bevor er im Club zu arbeiten angefangen hatte.
Ich seufzte und schluckte meinen Ärger runter.
»Ich finde es mutig, wie du dich traust, italienisch zu sprechen«, sagte Sascha.
Ich mußte grinsen.
»War es so schlimm?«
Sascha lachte.
»Ich denke nicht«, sagte er, »aber das Tolle ist, daß du dir keine Gedanken darüber machst. Dir ist egal, was andere denken.«
»Du meinst, ich habe kein Problem damit, mich zum Affen zu machen?«
Sascha lachte wieder.
»So hab ich das nicht gemeint, Mel. Du bist unabhängiger als ich, weil du niemandem etwas beweisen willst. Das bewundere ich an dir, verstehst du?«
»Nein.«
»Ist auch egal.«
Die Frau mit der Föhnwelle war aus dem Haus gekommen. Sie setzte sich zu Giovanni und zündete sich eine Zigarette an. Giovanni hielt ihr die Zeitung vor die Nase und schlug mit der flachen Hand mehrfach auf die Titelseite, auf der ein glatzköpfiger Mann abgebildet war, der laut |192| Schlagzeile gerade verhaftet worden war. Giovanni hielt anscheinend nicht viel von dem Glatzkopf oder dessen Verhaftung, jedenfalls regte er sich fürchterlich über das Foto auf. Die Frau nickte und stimmte lauthals in seine Tirade ein. Der Glatzkopf konnte von Glück reden, daß er hinter Gittern saß und keine Gefahr bestand, daß er Giovanni und der Föhnwelle über den Weg laufen würde.
Ich leerte meine
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