Traeum weiter Baby
Wahl. Als er Moritz’ Eckdaten abgefragt hatte, erzählte Paolo von Beatrice und Lauredana. Ich fühlte mich bereits wie eine alte Freundin der Familie, schließlich kannte ich bis auf die Mutter der Mädchen sämtliche Mitglieder, zumindest die, die über dem Café wohnten. Das wichtigste im Leben waren die Familie und eine gute Gesundheit, meinte Paolo. Ich war erstaunt, daß Sascha ihm nicht widersprach. Außerdem war noch wichtig, daß Italien beim nächsten Mal wieder Fußballweltmeister wurde, aber in diesem Punkt war Sascha anderer Meinung.
Als Moritz gegessen hatte und wieder strahlte, wickelte ich ihn in Paolos Toilette, dann schoben wir den Wagen über den Platz. Sascha blieb vor dem Brunnen stehen und blätterte im Reiseführer. Die Frau mit den Blumen war verschwunden.
»Das ist eine Wasserzisterne«, sagte er, »sie ist über tausend Jahre alt.«
Ich strich mit der Hand über den abgewetzten Stein. Er war warm von der Sonne und fühlte sich weich an. Beatrice hatte diesen Brunnen bestimmt gekannt.
»Schon komisch«, sagte Sascha, »daß dieses alte Ding hier schon rumgestanden hat, als wir nicht mehr waren, als eine schlummernde Erbanlage in der DNA von irgendwelchen |198| Leuten, die in Höhlen lebten. Und es wird noch hier stehen, wenn es uns längst nicht mehr gibt.«
Ich nickte. Fast erwartete ich, daß Beatrice um die Ecke biegen würde. Ich konnte ihr Lachen und das Rascheln ihrer Kleider hören. Doch statt Beatrice kam ein kleiner brauner Köter. Er schnüffelte an der Zisterne und hob sein Bein. Moritz quietschte schrill vor Vergnügen und ruderte mit seinen kleinen Ärmchen in der Luft.
»So viel zum Respekt vor der Vergangenheit«, sagte Sascha.
Dann guckten wir die Kirche an. Vor dem Altar lagen weiße Lilien und verbreiteten einen betäubenden Geruch. Den Rest des Nachmittags verbummelten wir und guckten noch ein paar Kirchen und mittelalterliche Hundetoiletten an. Die Stimmung war ruhig und beschaulich, und der Alien kam nicht mehr zurück.
Abends versuchten wir wieder, in unserem Sentimentaljourney-Restaurant einen Tisch zu bekommen, aber es war hoffnungslos. Der Laden war zu bekannt geworden. Vermutlich hatte es sich unter Paaren mit Kinderwunsch herumgesprochen, daß die Spaghetti vongole fruchtbarkeitsfördernde Wirkung hatten. Da wir restauranttechnisch neue Welten erkunden mußten, fanden wir das »Nuovo Mondo« ganz passend. Wir aßen uns durch die Speisekarte: Antipasti, Nudeln mit Sardellen in Kapern und Rosinen, Fische vom Rost, Salat, und zum Nachtisch gab es Amarettocreme für mich und Aprikosenkuchen für Sascha.
Nach dem Dessert war ich so satt und müde, daß ich mich am liebsten sofort ins Bett gelegt und geschlafen hätte. Mit der Rechnung kamen zwei Grappa. Am Nebentisch saß eine ältere Frau, die ein Vermögen an Gold am Körper trug. Sie hatte den ganzen Abend in Papierkram gestöbert und nickte uns jetzt aufmunternd zu. Goldmarie war anscheinend Besitzerin des Ladens und nutzte ihre |199| Position, um nebenbei einen informellen Grappatest mit den Gästen durchzuführen. Vermutlich hatte sie das Zeug selbst gebraut und wartete jetzt gespannt darauf, ob ihre Testpersonen tot umfallen oder blau anlaufen würden. Wir prosteten ihr zu und schütteten das Gebräu die Kehlen hinunter. Es brannte wie Feuer. Wenn sie es selbst gebraut hatte, war dies mit Sicherheit ihr erster Versuch.
»Molto bene«, sagte ich, sobald ich wieder japsen konnte.
Die Frau lächelte zufrieden. Dann winkte sie dem Kellner und ließ uns noch eine Runde Feuerwasser bringen. Diesmal brannte es etwas weniger. Wir sagten wieder, der Grappa oder was sie dafür hielt, sei molto bene, und die Frau lächelte wieder zufrieden. Ich fürchtete schon, daß unsere geschundenen Kehlen noch für eine dritte Runde herhalten mußten, doch Goldmarie beließ es dabei und widmete sich wieder ihrem Papierkram. Wir waren entlassen. Nicht ohne zu zahlen, versteht sich. Die Mitarbeit am Grappatest wurde nicht verrechnet.
»Und was jetzt?« fragte ich, als wir auf der Straße standen.
Der Grappa rann wie feurige Lava durch meine Blutbahn und meine Müdigkeit war wie weggeblasen.
Sascha umarmte und küßte mich.
»Ich wüßte da schon was«, murmelte er, »komm mit!«
Er legte den Arm um mich und schob mit der freien Hand den Kinderwagen durch die leeren Straßen zum Hotel. Die Leihoma saß wie immer an der Rezeption und guckte Fernsehen. Parallel dazu blätterte sie in einer Zeitschrift. Der Grappa war
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