Träum weiter, Liebling
letzten Attacke auf.
»Ich bin für ihn verantwortlich, Bonner. Ich! Sonst niemand! Ich bin für seine Ernährung verantwortlich, für seine Kleidung, für die Spritzen, die er beim Arzt kriegt, für alles!«
»Dann sollten Sie vielleicht besser auf sich achtgeben.«
Ihre Augen brannten. »Wagen Sie‘s ja nicht, mir zu sagen, was ich tun soll.«
»Wir Verrückten müssen doch zusammenhalten.«
Seine Worte und das deutliche Verständnis in seinen Augen nahmen ihr den Atem. Sie hätte ihn gerne weiter beschimpft, doch irgendwie waren ihre Gedanken vollkommen verwirrt. Er hatte sie auf etwas aufmerksam gemacht, das sie sich längst hätte ansehen müssen.
»Ich will nicht mehr darüber reden.«
»Gut. Dann essen Sie eben.«
Ihre Finger krampften sich um die Tüte, und sie zwang sich, der schmerzlichen Wahrheit ins Auge zu sehen.
Egal, wie viele Entbehrungen sie auch auf sich nahm, sie konnte Edwards Sicherheit nicht garantieren.
Sie wurde von einer Welle der Hilflosigkeit übermannt, die sie schier erdrückte. Sie wollte alles auf Vorrat für ihn sammeln, nicht nur Essen, sondern auch Geborgenheit und Selbstvertrauen, einen gesunden Körper, eine anständige Schulausbildung, ein Zuhause. Doch mit Hungern erreichte sie das nicht. Sie konnte fasten, bis sie zum Skelett abmagerte, doch garantierte das keineswegs, dass Edward auch in Zukunft einen vollen Magen haben würde.
Zu ihrem Entsetzen stiegen ihr die Tränen in die Augen, und eine rollte über ihren Lidrand und ihre Wange hinab. Sie konnte es nicht ertragen, dass Bonner sie weinen sah, deshalb funkelte sie ihn böse an. »Sagen Sie keinen Ton!«
Er hielt seine Hände in gespielter Ergebenheit hoch und trank einen Schluck Dr. Pepper.
Ein heftiger Schauder überlief sie. Bonner hatte recht. Der ständige, monatelange Kampf ums nackte Überleben hatte sie wirklich überschnappen lassen. Und nur jemand, der genauso übergeschnappt war, konnte das erkennen.
Sie zwang sich, ihrem Wahnsinn direkt in die Augen zu sehen. Edward hatte niemanden auf der Welt außer sie, und sie fügte ihrer Gesundheit Schaden zu. Durch das Hungern machte sie ihre ohnehin prekäre Situation noch schlimmer.
Sie wischte sich zornig über die Augen und riss den Hamburger aus ihrer Tüte. »Sie sind ein richtiges Arschloch!«.
Er lehnte sich bequemer gegen das Klettergerüst und zog sich die Baseballmütze tiefer ins Gesicht, als würde er sich zu einem schönen langen Mittagsschläfchen hinlegen.
Sie biss herzhaft in den Burger und schluckte den Bissen zusammen mit ihren Tränen hinunter. »Ich weiß wirklich nicht, woher Sie den Nerv nehmen, mich als verrückt zu bezeichnen.« Sie aß erneut einen Riesenbissen, und es schmeckte so himmlisch, dass sie erschauderte. »Was für ein Blödmann eröffnet schon ein Autokino? Falls Sie‘s noch nicht gespannt haben, Bonner, Autokinos sind schon seit dreißig Jahren tot. Bis Ende des Sommers sind Sie bankrott.«
Seine Lippen bewegten sich kaum unter der tiefsitzenden Kappe. »Ist mir scheißegal.«
»Ich geb‘s auf. Sie sind hundertmal verrückter als ich.«
»Los, essen.«
Sie wischte sich mit dem Handrücken über ihre nassen Augen und schlug die Zähne erneut in den Hamburger. Es war der köstlichste Hamburger, den sie je gegessen hatte, Käsestückchen klebten ihr am Gaumen und ließen ihren Speichel wie ein Springbrunnen fließen. Sie sprach mit vollem Mund. »Warum tun Sie‘s dann?«
»Mir ist nichts Besseres eingefallen.«
Sie leckte einen Tropfen Ketchup von ihrem Finger. »Was haben Sie gemacht, bevor Sie den Verstand verloren haben?«
»Ich war Auftragskiller für die Mafia. Sind Sie endlich mit Heulen fertig?«
»Ich hab nicht geheult! Und ich wünschte, Sie wären wirklich ein Auftragskiller, denn wenn ich das Geld hätte, dann würde ich Sie auf der Stelle anheuern, um sich selbst das Licht auszublasen.«
Er schob den Schirm seiner Mütze hoch und betrachtete sie ungerührt. »Keifen Sie nur so weiter, und wir kommen prima miteinander aus.«
Sie ignorierte ihn und fing an, sich die Pommes, drei auf einmal, in den Mund zu stopfen.
»Und wie sind Sie eigentlich an G. Dwayne geraten?«
Die Frage tauchte wie aus dem Nichts auf - wahrscheinlich um sie abzulenken aber da er nicht bereit war, ihr etwas über sich zu erzählen, würde sie es ebenfalls nicht tun. »Hab ihn in ‘ner Stripbar kennengelernt, wo ich Tänzerin war.«
»Ich hab Ihren Körper gesehen, Rachel, und falls Sie nicht eine Menge mehr auf den
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