Träum weiter, Liebling
dann wieder freundlich, hatte keine Ahnung, was bestimmte Dinge betraf, und war klug, wenn es um andere ging, und sie begehrte ihn so sehr, dass ihr die Zähne weh taten.
Er fuhr zur Ortsmitte und parkte den Wagen direkt vor dem Petticoat Junction Café.
»Komm, wir leisten uns ein schönes Eis.«
Sie erwischte seinen Arm, bevor er die Wagentür öffnen konnte. Vor dem Straßenschalter herrschte reger Feierabendverkehr, und sie wusste sofort, was er vorhatte.
Zuerst die Reifen, dann das hier. Es war einfach zuviel. Ihr Hals war wie zugeschnürt. »Danke, Gabe, aber ich muss meine Kämpfe selbst ausfechten.«
Ihre Demonstration von Unabhängigkeit beeindruckte ihn nicht die Spur. Durch zusammengebissene Zähne zischte er sie an. »Beweg sofort deinen Hintern aus diesem Auto. Du wirst jetzt ein Eis essen, und wenn ich dir den Mund aufhalten und es dir reinstopfen muss.«
Soviel zu seiner Sensibilität. Da ihr nicht viel anderes übrigblieb, stieß sie zornig die Tür auf. »Das ist mein Problem, und ich werd schon damit fertig.«
Er knallte seine Tür zu. »So wie bisher, ja?«
»Ich will ‘ne Lohnerhöhung.« Sie stürmte auf den Gehsteig zu. »Wenn du‘s dir schon leisten kannst, dein Geld für neue Reifen und Eiscreme rauszuwerfen, kannst du mir auch mehr bezahlen als diesen Hungerlohn.«
»Bitte lächeln, man sieht uns.«
Sie fühlte die feindseligen Blicke der Erwachsenen: Mütter mit kleinen Kindern, zwei Straßenarbeiter in dreckigen T-Shirts, eine Geschäftsfrau mit einem Handy am Ohr. Nur eine Gruppe Jungs auf Skateboards schien sich nichts daraus zu machen, dass die schreckliche Witwe Snopes Salvations heilige Erde entweihte.
Gabe trat zu dem jungen Mädchen, das hinter dem Fenster bediente. »Ist der Boss da?«
Sie kaute einmal auf ihrem Kaugummi und nickte dann, »Hol ihn doch bitte, sei so gut.«
Während sie warteten, fiel Rachel ein Plastikbehälter auf, der im Fenster stand. Darauf stand Emilys Fonds, und darunter klebte das Bild von einem kleinen Mädchen mit einem Lockenkopf und einem süßen, frechen Grinsen. Darunter stand, dass um Spenden für die medizinische Behandlung des Kindes gebeten wurde, das unter Leukämie litt. Sie musste an die Frau mit den grünen Papageienohrringen denken.
Sie sind unsere letzte Hoffnung, Mrs. Snopes. Emily braucht ein Wunder.
Einen Moment lang fiel es ihr schwer, genug Luft zu bekommen. Dann konzentrierte sie sich darauf, ihre Brieftasche zu öffnen, eine kostbare Fünf-Dollar-Note herauszunehmen und in den Schlitz des Behälters zu stecken.
Don Bradys Gesicht tauchte im Verkaufsfenster auf. »Hi Gabe, wie geht‘s denn -« Er hörte auf zu sprechen, als er Rachel sah.
Gabe tat, als wäre überhaupt nichts geschehen. »Ich hab Rachel hier erzählt, dass du die besten Hot-Fudge-Sundaes in der ganzen Stadt machst. Wie wär‘s, wenn du uns zwei zusammenrührst? Große, bitte.«
Don zögerte unschlüssig, und Rachel sah, dass er nach einem Ausweg aus dieser Zwickmühle suchte. Er wollte sie nicht bedienen, aber einen der bekanntesten Söhne der Stadtverprellen, das wollte er noch weniger.
»Ah... sicher, Gabe.«
Kurz darauf verließen sie den Eisstand mit zwei großen Hot-Fudge-Sundaes, die weder Gabe noch Rachel essen wollten. Auf dem Weg zum Auto kam keiner von beiden auf den Gedanken, einen Blick auf die andere Straßenseite zu werfen. Wenn sie es getan hätten, dann hätten sie den drahtigen kleinen Mann gesehen, der dort im Schatten stand, eine Zigarette rauchte und sie beobachtete.
Russ Scudder trat seine Zigarette aus. Bonner muss sie vögeln, dachte er, ansonsten hätte er die Reifen nie so schnell ersetzt. Das erklärte auch, warum Bonner sie angestellt hatte. Damit er sie vögeln konnte.
Russ schob die Fäuste in seine Taschen und dachte an seine Frau. Er hatte gestern bei ihr vorbeigeschaut, aber sie hatte sich geweigert, mit ihm zu reden. Herrgott, wie sie ihm fehlte. Wenn er doch bloß eine Arbeit hätte, dann könnte er sie vielleicht wieder zurückbekommen, aber Rachel Snopes hatte ihm den einzigen Job weggeschnappt, den man ihm in der Stadt angeboten hatte. Er war froh, dass er gestern Abend ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatte. Es war nicht geplant gewesen, aber plötzlich hatte er ihren Wagen da stehen sehen; es war niemand in der Nähe gewesen, und es hatte gutgetan. Es hatte so gutgetan, dass er ein paar Stunden später zum Glide-Häuschen raufgestiegen war und mit ‘ner Farbdose das Wort »Sünderin« an ihre Hauswand
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