Träum weiter, Liebling
deinem Leben gibt.«
Die letzten Reste des angenehmen rosa Nebels verschwanden, und eine Art verzweifelter Mut trat an dessen Stelle. Was hatte sie denn auch zu verlieren? »Wie solltest du auch? Du weißt doch überhaupt nichts über mein Leben.«
Das schien ihn ehrlich zu schockieren. »Wir kennen uns schon seit der Grundschule. Du gehörst zu meinen ältesten Freunden.«
»So siehst du mich also?«
»Selbstverständlich.«
»Du hast recht. Ich gehöre zu deinen Freunden.« Sie schluckte und nahm all ihren Mut zusammen. »Aber du nicht zu meinen, Ethan. Freunde kennen einander, wissen etwas voneinander, aber du weißt gar nichts über mich.«
»Was meinst du damit? Ich weiß sehr viel über dich.«
»Was denn?«
»Ich kenne deine Eltern, das Haus, in dem du aufgewachsen bist. Ich weiß, dass du dir vor zwei Jahren den Arm gebrochen hast. Ich weiß eine ganze Menge.«
»Hunderte von Leuten wissen etwas über mich. Aber sie kennen mich nicht. Wer ich bin.«
»Du bist eine anständige, hart arbeitende Christin.« Es hatte keinen Zweck. Sie hatte versucht, ehrlich mit ihm zu reden, aber er wollte nicht hören. Sie machte Anstalten sich zu erheben. »Ich muss gehen.«
»Nein!« Er zog sie wieder auf den Tisch zurück. Dabei stieß ihre Brust aus Versehen an seinen Arm. Er zuckte zurück, als wäre er mit radioaktivem Abfall in Kontakt gekommen.
»Schau, ich - ich will dich doch nicht beleidigen. Dein Sexualleben ist deine Sache, nicht meine, aber als dein Pastor bin ich hier, um dir mit meinem Rat beizustehen.«
Sie wurde nur selten wütend, aber das war zuviel. »Ich hab nicht um deinen Rat gebeten, Ethan, weil ich mich nämlich schon längst entschieden habe! Dieses Kondom steckt in meiner Tasche, weil ich mein Leben verändern und nicht unvorbereitet sein will.«
»Vorehelicher Geschlechtsverkehr ist eine Sünde.« Das hörte sich überhaupt nicht nach ihm an. Er regte sich unbehaglich, als würde er selbst merken, wie unerträglich staubig das klang. Wieder schien sein Blick an ihren Brüsten hängenzubleiben. Er wandte die Augen ab.
Sie sprach voller Leidenschaft. »Ich halte es auch für eine Sünde. Aber ich glaube auch, dass es eine Hierarchie von Sündern gibt. Versuch ja nicht, mir weiszumachen, dass Mord und sexueller Mißbrauch nicht höher auf der Liste stehen, als das Bedürfnis einer alleinstehenden Dreißigjährigen, nicht länger Jungfrau sein zu wollen.«
Sie wartete auf ein Anzeichen von Überraschung über ihren unberührten Zustand, doch als nichts geschah, verschlechterte sich ihre Stimmung noch mehr. Er war also einfach davon ausgegangen, dass sie noch nie einen Mann gehabt hatte.
»Und wer schwebt dir da so vor?«.
»Das weiß ich noch nicht, aber ich halte die Augen offen. Natürlich muss er unverheiratet sein und intelligent. Und sensibel. « Sie betonte das letzte Wort, um ihm zu zeigen, dass dies eine Qualität war, die er in tausend Jahren nicht besitzen würde.
Er wurde stachelig wie ein Igel. »Ich kann nicht glauben, dass du ein Leben voller Schicklichkeit für ein paar fleischliche Bedürfnisse wegwerfen willst.«
Er klang von Minute zu Minute spießiger. »Was hat mir meine Schicklichkeit eingebracht? Ich habe nichts, das für mich von Bedeutung wäre. Keinen Mann, keine Kinder, ja nicht mal einen Job, der mir gefällt.«
»Du magst deinen Job nicht?« Er klang sowohl verletzt als auch fassungslos.
i»Nein, Ethan, ich mag ihn nicht.«
»Warum hast du nie was gesagt?«
»Weil ich feige war. Es war sicherer für mich, deprimiert zu sein, als mein Leben zu ändern.«
»Warum bist du dann all die Jahre geblieben?«
Das war eine Frage, die sie nicht ehrlich beantworten konnte. Er wusste wahrscheinlich ohnehin, dass sie geblieben war, weil sie in ihn verliebt war. »Aus Angst vor Veränderungen. Doch jetzt hab ich keine Angst mehr.«
»Rachel ist dafür verantwortlich, stimmt‘s?«
»Warum hast du so eine Abneigung gegen sie?«
»Weil sie Gabe ausnutzt.«
Das glaubte Kristy ganz und gar nicht, aber Ethan war Vernunftsargumenten im Moment nicht zugänglich. »Du hast recht, Rachel ist dafür verantwortlich, weil sie mir Mut gemacht hat. Ich hab nie eine Frau mehr bewundert als sie. Sie steht am Rand des Abgrunds, aber sie klagt niemals, und sie arbeitet härter als jeder, den ich kenne.«
»Gabe hat‘s ihr leicht gemacht. Er hat ihr einen Job gegeben und ein Auto. Er lässt sie in Annies Häuschen wohnen und bezahlt Edwards Unterbringung.«
»Das ist
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