Träum weiter, Liebling
schau‘n später da vorbei. Möchten Sie, dass wir was ausrichten?«
Rachel beschloss, sich einzumischen, bevor der arme Junge noch seine Zigarette verschluckte. »Nein, danke. Wir finden sie schon.«
»Punks«, sagte Gabe, als sie zum Pickup zurückgingen. Kaum, dass sie drin saßen, fiel er über sie her. »Du wirst nicht zu diesem Spanferkelfest gehen.«
»Weißt du, Bonner, es ist so schon schwer genug, die Bibel aufzutreiben, auch ohne dich jeden Schritt hinter mir herziehen zu müssen.«
»Wenn die Leute dich dort sehen, werden sie dich auf einen Spieß stecken und zusammen mit den Schweinen grillen.«
»Wenn du Angst hast, kannst du mich ja dort absetzen. Ich werd dann mit Kristy nach Hause fahren.«
Er legte mit einer irritierten Bewegung den Rückwärtsgang ein und stieß aus der Einfahrt. »Wir hatten das Haus diesen Nachmittag ganz für uns allein. Bloß wir zwei. Aber nutzen wir die Gelegenheit? Teufel, nein.«
»Hör auf, dich wie ein geiler Teenager aufzuführen.«
»Ich fühl mich aber wie ein geiler Teenager.«
»Ja?« Sie lächelte. »Ich auch.«
Er hielt den Wagen mitten auf der Straße an, beugte sich über den Sitz und küsste sie, eine sanfte Berührung der Lippen, süß und flüchtig. Erregung durchzuckte sie.
»Bist du sicher, dass du nicht doch lieber nach Hause willst?« Er stützte die Ellbogen auf die Rückenlehne und musterte sie mit einem derart durchtriebenen Ausdruck, dass sie lachen musste.
»Das möchte ich sogar sehr gerne, aber es geht nicht. Bloß noch einen Abstecher, Gabe. Ich rede nur schnell mit Carol Dennis, und dann können wir zum Haus zurückfahren.«
»Wieso hab ich das Gefühl, dass es damit nicht getan ist?« Resigniert machte er sich auf den Weg zum Ortszentrum.
Das Spanferkelgrillfest wurde auf dem Sportplatz neben dem Memorial Park ausgerichtet, dem größten Freiplatz des Städtchens. Im Park selbst gab es grüne Metallbänke und sauber gepflanzte Blumenbeete voller Springkraut und Ringelblumen. Daneben lag der Sportplatz in der prallen Sonne. Den einzigen Schatten boten die Zelte und Planen, die von den verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen aufgestellt worden waren. Das Fest diente zum Sammeln von Spenden für die unterschiedlichsten wohltätigen Zwecke. Der Geruch von Holzkohle und gegrillem Schweinefleisch lag in der Luft.
Rachels Blick machte beinahe sofort Edward und Ethan aus, die vor einem kleinen Pavillon standen, in dem eine Bluegrass-Band spielte. Edward knabberte an einer Wolke rosa Zuckerwatte, ohne den Blick von den Musikern abzuwenden, doch Ethans Augen wanderten immer wieder zu einem etwa zwanzig Meter entfernt stehenden Essenszelt. Rachel folgte seinem Blick und sah Kristy mit einem blonden Mann zusammenstehen, der eifrig bemüht war, Eindruck auf sie zu machen.
Ethan zog ein finsteres Gesicht. Mit seinem blonden Haarschopf, der in der Sonne leuchtete, erinnerte er sie an einen mürrischen jungen Gott. Geschieht ihm recht, dachte sie, hätte er früher die Augen aufgemacht.
Als sie und Gabe näherkamen, fühlte sie die Blicke der Leute um sie herum. Nur das pensionierte Pärchen aus Florida schien es nicht zu kümmern, dass die berühmtberüchtigte Witwe Snopes gekommen war.
Edward drehte sich zu ihr um, als hätte er ein Radar. »Mommy!«
Er rannte mit fliegenden Beinchen zu ihr, die Zuckerwatte in der einen Hand, Pferdchen in der anderen. Sein klebriger Mund hatte sich zu einem strahlenden Lächeln verzogen. Er sah so glücklich, so gesund aus, dass ihr die Tränen kamen.
Danke, lieber Gott.
Das Gebet war ihr automatisch herausgerutscht, aber es gab keinen Gott.
»Pastor Ethan hat mir die Zuckerwatte gekauft!« rief Edward aufgeregt. Seine Aufmerksamkeit war so ausschließlich auf sie gerichtet, dass er Gabe, der einen halben Meter hinter ihr stand, noch gar nicht bemerkt hatte. »Und Kristy hat mir ‘nen Hot Dog gekauft, weil ich fast geheult hätte, als ich das Schwein geseh‘n hab.« Sein Gesichtchen verzog sich weinerlich. »Ich könnt einfach nich‘ anders, Mommy. Es is‘ tot, und es hatte Löcher als Augen und... Sie haben es umgebracht und brennen es jetzt über dem Feuer.«
Wieder ein Stück verlorener Unschuld auf dem Weg zum Erwachsensein. Sie wischte ihm mit dem Daumen einen Ketchupfleck von der Wange. »Deshalb nennt man‘s ja Spanferkelgrillfest, Partner.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich ess nie wieder Schwein.«
Sie beschloss, lieber nicht zu erwähnen, woraus seine heißgeliebten Hot Dogs
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