Traeume aus der Ferne
Blick zurück.
Steffi hatte ihren Finger kaum von der Türglocke genommen, da erschien die alte Frau auch schon in der Tür.
Entgegen sämtlicher Vorhersagen, dass alle Dänen sehr gut Deutsch oder Englisch sprachen, konnte diese Frau keines von beidem besonders gut. Mit einer Mischung aus Deutsch, Dänisch und Englisch, gepaart mit Mimik und Gestik, stellte sich schließlich heraus, dass das Unternehmen, welches die Ferienhäuser vermietete, einen Fehler gemacht hatte und beide auf das gleiche Haus gebucht waren.
Es dauerte weitere fünf Minuten, um der Frau klarzumachen, dass sie doch nun einfach einer von ihnen eine neue Hütte geben sollte.
Die Dame schüttelte nur den Kopf. »Sommer full«, sagte sie.
Steffi verdrehte die Augen und wandte sich ab.
»Hey, das ist doch kein Drama. Wir werden uns doch deshalb nicht die Laune verderben lassen«, versuchte Katja sie aufzumuntern. »Ich wollte zwar zwei Wochen allein sein, aber eigentlich ist das Haus doch groß genug für uns beide. Und wir müssen jede nur die Hälfte zahlen. Was halten Sie davon? Wollen wir eine WG für zwei Wochen bilden?«
Katjas Versuch, Steffi zu trösten, war wirklich süß. Doch Steffi wollte einfach allein sein. Nackt durchs Haus laufen, wenn ihr danach war, abends die Füße auf den Tisch legen und lesen oder sich oben ohne in der Sonne braten lassen. Steffi war den Tränen nahe. Sie wusste, dass die alte Frau recht hatte. Es war Sommer. Hochsaison. Sie würde wohl kaum so schnell etwas Anständiges finden. Also blieb ihr nur die Wahl zwischen einem Campingplatz oder einer WG. Sie hasste Camping über alles.
Katja stand immer noch dicht neben ihr und wartete auf eine Reaktion.
»Wenn es wegen . . .« Katja blickte zu der alten Frau, die ebenso abwartend in der Tür stand, und wählte dann ihre Worte sehr vorsichtig. »Wenn es wegen des Aufklebers an meinem Radio ist . . . Sie brauchen keine Angst zu haben. Versprochen. Ich werde ganz anständig sein.«
Nun hatte sie es tatsächlich geschafft, Steffi zum Lachen zu bringen. »Ich wusste gar nicht, dass es solche Vorurteile nun schon unter den Lesben gibt. Ich dachte immer, dass uns nur die Heteras für frauenverschlingende Monster halten.« Steffi sah Katja an und wartete auf ein Lachen. Aber außer einem schmalen Lächeln zeigte sie keine Reaktion.
Steffi winkte der alten Frau zu und lief zu Katjas Auto zurück.
»Können wir endlich?« fragte sie schelmisch.
»Ach du Scheiße«, entfuhr es Steffi, als sie zusammen ihr Haus betraten. »Ich hab’ die Sauna total vergessen.« Und dann stürmte sie auch schon ins Bad und weiter zur Sauna. Nach zwei Minuten kehrte sie wieder zurück. »Also, meine Sauna wäre jetzt perfekt vorgeheizt. Wäre es okay, wenn ich mich für eine Weile dorthin verziehe und wir später gemeinsam ein paar Einzelheiten klären?«
»Natürlich«, antwortete Katja. »Machen Sie ruhig.«
Als Steffi wieder im Bad verschwunden war, ließ Katja sich mit einem tiefen Seufzer auf die Couch plumpsen. Sie wäre gern mit in die Sauna gegangen, für sie gab es nichts Entspannenderes. Außerdem wäre sie gern in Steffis Nähe geblieben. Sie mochte diese Frau auf Anhieb. Und irgendwie erschien es ihr wie ein Wink des Schicksals, dass sie auf diese Art zusammenleben mussten.
Eigentlich wollte sie sich zwei Wochen lang Zeit für sich selbst nehmen, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie so viel Zeit wie möglich mit Steffi verbringen wollte. Doch Steffi schien davon nicht viel zu halten. Sie hatte ihr ja klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie lieber allein hier wäre. Und die Einzelheiten, die sie noch klären wollte, waren wahrscheinlich, wer wann ins Bad oder in die Küche durfte. Oder in die Sauna. War Steffi etwa so schüchtern, dass sie nicht mit Katja zusammen in der Sauna liegen wollte? Oder war es schlicht und ergreifend eine Flucht an einen Ort, wo sie garantiert nicht gestört wurde?
»Muss ich erst einen Eimer kaltes Wasser holen, oder kommen Sie auch so irgendwann wieder zu sich?«
Katja hatte gar nicht bemerkt, dass Steffi hinter ihr stand. Sie hatte sich nur ein Handtuch umgewickelt. Offensichtlich hatte sie Katja etwas gefragt, was diese nicht gehört hatte.
»Ähm . . . was ist?« fragte Katja schließlich sichtlich verstört. Woran sicher auch Steffis Anblick nicht ganz unschuldig war.
»Ich habe gefragt, ob Sie nicht auch in die Sauna kommen wollen. Jetzt, da schon mal angeheizt ist. Wäre doch Verschwendung, wenn wir das
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