Traeume aus der Ferne
herablassend.
Ich starrte Linda fassungslos an.
»Du lässt dich dafür bezahlen, Zeit mit mir zu verbringen?« fragte ich ungläubig.
»Bitte, Annette, so ist das nicht.« Lindas Augen flehten mich geradezu an. »Hör mir bitte zu«, bat sie mich.
»Nimm dein Geld und verschwinde!« Ich spürte, wie Tränen in mir hochstiegen. Zum Teil aus Zorn und Wut, zum anderen, weil ich mich furchtbar benutzt und hintergangen fühlte.
Lindas Augen flehten mich immer noch an, doch ich drehte mich einfach um und ging nach oben.
Ein paar Minuten später folgte Franziska mir ins Schlafzimmer. Mit einem herzhaften Gähnen fing sie an sich auszuziehen.
»Ich bin total erledigt. Du glaubst gar nicht, wie schwer es ist, manche Geschäftspartner am Sonntag ans Telefon zu bekommen. Mit so einer unprofessionellen Einstellung werden sie es nie zu etwas bringen«, beklagte sie sich.
Inzwischen lag Franziska neben mir. Sie schien nicht einmal zu bemerken, dass ich weinte. Wollte sie denn nicht versuchen, mir die Szene von eben zu erklären?
Ihr Atem wurde ruhiger und gleichmäßig.
»Wie kannst du es wagen, jetzt zu schlafen?« schrie ich sie unvermittelt an.
Sie fiel vor Schreck fast aus dem Bett und starrte mich mit großen Augen an.
»Was in aller Welt ist denn in dich gefahren? Es dürfte dir ja wohl nicht entgangen sein, dass ich ein hartes Wochenende hatte und nun hundemüde bin«, wies sie mich zurecht.
»Das ist mir egal«, fauchte ich sie an. »Wie kannst du es wagen, mich wie ein Stück Vieh zu behandeln? Ich bin nicht eines deiner Geschäfte, merk dir das!«
»Ach, es geht um die Sache mit Linda? Hör zu, ich habe sie doch nur gebeten, dir die Zeit etwas zu vertreiben«, erklärte sie. Meine Lebensgefährtin verstand offensichtlich überhaupt nicht, um was es mir ging.
»Du hast sie dafür BEZAHLT, das ist der Unterschied. Möchtest du dich etwa von deinem schlechten Gewissen freikaufen, weil du mich so oft allein lässt? Lass mich raten, das kannst du bestimmt von der Steuer absetzen, richtig?« Mein Hals brannte schon, so laut sprach ich.
»Ich wüsste nicht, wieso ich ein schlechtes Gewissen haben sollte. Schließlich arbeite ich auch für dich so hart«, erklärte Franziska geduldig.
»Weißt du, dieses leidige Thema hängt mir langsam echt zum Hals heraus!« schrie ich sie an.
Ich wusste nicht, was mich wütender machte. Franziskas Worte oder die Art, wie so ruhig und beherrscht im Bett saß. Ich warf meine Füße aus dem Bett und stellte mich mit meinem Kissen im Arm ans Fenster.
»Was wäre nun, wenn ich mit Linda ins Bett gehen würde? Hast du das mit einkalkuliert?« fragte ich sie betont provokant.
»Aber Liebes, ich habe kein Problem damit, wenn du mit ihr ins Bett gehst. Ich erwarte nur, dass sie in Zukunft nicht mehr hier ist, wenn ich nach Hause . . .«
»Das ist nicht dein Ernst, oder?« unterbrach ich sie. Ich traute meinen Ohren nicht.
»Ich kann doch nicht von dir erwarten, dass du all die langen Tage und Nächte ohne mich brav vor dem Fernseher verbringst. Glaubst du etwa allen Ernstes, dass ich auf meinen Geschäftsreisen immer allein schlafen gehe?«
Ich hatte genug gehört. Wutentbrannt schleuderte ich ihr mein Kissen an den Kopf und sperrte mich dann ins Gästezimmer ein.
Franziskas Worte hallten in meinem Kopf nach. Ich drehte und wendete sie, doch es kam immer die gleiche, niederschmetternde Wahrheit dabei heraus. Mir war zu Beginn unserer Beziehung klar gewesen, dass Franziskas Liebe nicht allein mir galt, ich wusste, dass ich sie mit ihrem Beruf teilen musste – aber dass ich auch ihren Körper mit anderen Frauen teilen sollte . . . Und Franziska? Spielte es für sie wirklich keine Rolle, was ich fühlte, was ich empfand? Ging es ihr tatsächlich nur darum, nicht allein in diesem schönen Haus zu wohnen und, wenn es denn unbedingt nötig war, jemanden als Begleitung auf einer Party oder einem Empfang vorweisen zu können? War es so deprimierend einfach?
Als ich nach einer langen Nacht mit vielen Tränen und ohne Schlaf am nächsten Morgen in die Küche kam, saß Franziska noch beim Frühstück. Sie sah entspannt und ausgeschlafen aus. Ihr selbstzufriedenes Gesicht schien mich geradezu zu verhöhnen.
Doch irgend etwas war mit mir geschehen. Es gab keinen Grund mehr für mich, mit Franziska zu streiten. Wir waren so weit voneinander entfernt, dass ich mich fragte, wie wir die letzten Jahre hatten zusammenleben können.
In aller Ruhe schenkte ich mir eine Tasse Kaffee
Weitere Kostenlose Bücher