Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
Sorgen um mich. Sara war lange Zeit allein gewesen und eine unabhängige, selbstständige Frau, die viel besorgter um Falcon war als um sich selbst.
Noch immer regnete es heftig, und der Wind blies das Wasser in dichten, düsteren Schleiern vor sich her. Aber Falcon spürte keine Kälte in der Gestalt, die er angenommen hatte, und wäre er in Menschengestalt gewesen, hätte er seine Körpertemperatur problemlos regulieren können. Der Sturm hinderte ihn daran, den Feind mit seinem Geruchssinn aufzuspüren, doch da er die Verhaltensweise von Vampiren kannte, fand er zielsicher die Beute.
Der Leichnam lag in einer Gasse, nicht weit entfernt von der Stelle, wo Falcon Saras Kanalkindern begegnet war. Sein Unbehagen wuchs. Der Untote war offenbar schon sehr geübt darin geworden, Sara aufzuspüren. Egal, wie sehr sie sich bemühte, es zu vermeiden, hatte auch ihr Verhalten ein gewisses Muster, das der Vampir sich zunutze machte. Sowie er das Land und die Stadt fand, in der sie sich niedergelassen hatte, begab er sich zu den Orten, an denen Sara irgendwann erscheinen musste. Zu den Zufluchtsorten der Verlorenen, der Obdachlosen, der unerwünschten Kinder und misshandelten Frauen. Sara arbeitete in diesen Gegenden, um zu helfen, wo sie konnte, und zog dann irgendwann weiter. Geld bedeutete ihr nichts; für sie war es nur ein Mittel, um weiterreisen und die Aufgabe, die sie sich gestellt hatte, erfüllen zu können, so gut sie konnte. Sie lebte sparsam und gab für sich nur wenig aus. Genauso gründlich, wie Falcon sich mit Vampiren befasst hatte, um ihre Verhaltensweise kennenzulernen, hatte dieser spezielle Vampir sich mit Sara beschäftigt. Aber sie hatte es immer noch geschafft, ihm zu entkommen. Die meisten Vampire waren nicht gerade für ihre Geduld bekannt, doch dieser hatte Sara unerbittlich fünfzehn Jahre lang verfolgt.
Es war ein Wunder, dass sie es geschafft hatte, seinen Fängen zu entgehen, und ein Beweis für ihre mutige und findige Natur. Falcon nahm im trostlosen Regen neben dem toten Mann Gestalt an. Das Opfer des Vampirs war einen langsamen, qualvollen Tod gestorben. Falcon betrachtete die Leiche eingehend, ohne irgendetwas zu berühren. Er wollte nur den Geruch des Untoten kennenlernen und ein Gefühl für ihn bekommen. Das Opfer war jung, ein Punk. Auf der Straße neben ihm lag ein Messer mit blutbefleckter Klinge. Falcon konnte sehen, dass das Metall schon rostete. Der junge Mann war gefoltert worden, wahrscheinlich, um Informationen über Sara aus ihm herauszuholen. Der Vampir hatte offenbar wissen wollen, ob sie in der Gegend gesehen worden war. Überall um Falcon herum war noch das Echo der Gewalt zu spüren.
Da er die Beweise jedoch nicht zurücklassen konnte, damit die Polizei sie fand, begann er seufzend, Energie vom Himmel über sich herabzurufen. Sofort zuckten Blitze auf und tauchten die Gasse in ihr grelles Licht. Falcon lenkte die zischende und knisternde Energie der Blitze auf den Toten und das Messer. Sie verbrannten das Opfer des Vampirs zu feinster Asche und reinigten das Messer, bevor ihre Hitze es zerschmolz.
Die Luft knisterte von der Macht um Falcon herum, als der Blitz wie eine orangefarbene Flamme vom Boden wieder zu den unheilvollen dunklen Wolken hinaufschoss, wo er sich zu leuchtenden glühend heißen Punkten spaltete. Falcon hob den Kopf und sah sich um. Plötzlich merkte er, dass die in der Luft vibrierende Macht nicht mehr nur die seine war. Er sprang zurück, weg von der Asche. In diesem Moment kamen die geschwärzten Überreste auf einmal in Bewegung. Eine grauenvolle Erscheinung mit einem missgebildeten Kopf und Löchern statt Augen erhob sich aus der Asche.
Für den Bruchteil einer Sekunde zu spät wirbelte Falcon herum, um dem wahren Angriff zu begegnen. Eine Kralle verfehlte sein Auge und zerkratzte ihm die Schläfe. Rasiermesserscharfe Fingerspitzen rissen vier lange Furchen in seine Brust, die fast unerträglich schmerzten. Heißer, übel riechender Atem schlug ihm ins Gesicht, und er nahm den Gestank verfaulenden Fleisches wahr. Aber die Kreatur selbst war nur verschwommen zu erkennen und verschwand sogleich, als Falcon instinktiv die Faust nach ihrem Herzen stieß.
Seine Hand streifte dichtes Fell und dann nur Luft. Augenblicklich stieg das Tier in Falcon wild und mächtig auf und erschütterte selbst ihn mit seiner Kraft. Roter Dunst vernebelte ihm die Sicht. In seinem Kopf herrschte Chaos. Falcon fuhr herum, als er sich in die Luft erhob, und entging gerade
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