Träume in Kristall
einen herum Totenstille herrscht, obwohl aus der Ferne das Geheul eines gewaltigen Sturms zu hören ist. (Wirklich, diese alberne Haltung meines Mannes! Cocu-Gesicht, – vielleicht tatsächlich das. Schipas »Bajazzo-Serenade«. Carusos »Schluß jetzt mit der Hanswurstiade«. Die lustige Witwe. Choralgesänge daheim in der Kirche. Haydn. Bach. Mendelssohn. Gounod. Beethoven. Ich liebe die Musik der Katholiken. Schallplattenalbum, in dem lauter Platten katholischer Komponisten zusammengetragen sind. Alle Sünden, die der Mensch tut, sind außer seinem Leibe; wer aber hurt, der sündigt an seinem eigenen Leibe. So eine Jungfrau heiratet, sündigt sie nicht. Leibliche Bedrängnis aber werden sie haben, und davon sähe ich euch gern verschont. Heiraten ist ein weit Vortrefflicheres, als wenn die Brust entflammt. Kreutzersonate.) Und mit den Worten aus dem Ersten Korintherbrief begann im Herzen der Dame die »Kreutzersonate« – Tibaud Violine, am Flügel Cortot – wie eine Woge heranzurollen. Die Dame hatte es sich bei der Auswahl einer ihrer Existenzen, aus der ihr, wenn sie diese Schallplatte hörte – und immer tat sie das im Gefühl der Tolstoischen Kreutzersonate –, das Musikstück verständlich wurde, zur Angewohnheit gemacht, sich an diejenige zu erinnern, die sie als junges Mädchen gewesen war, als sie beim Choralgesang daheim in der Kirche, sich treiben lassend im Strom der Singstimmen, von einer schönen Liebe geträumt hatte. Der schöne Traum aber, der jetzt, als sie den Obi zusammenfaltete, aufstieg vor ihr: (Übermorgen kommt das junge Fräulein. Der Salon. Die beiden Hunde. Ich mag es, wenn der Hund einem die Ohren beleckt. Das Gesicht meines Mannes, geradezu peinlich ist mir das vor dem jungen Fräulein. Ah, ist es nicht wie das Gesicht eines Cocu? Diese Frage, geflüstert mit dem Mund am Ohr des jungen Fräuleins. Duft von Heliotrop. Die tief geröteten Wangen des jungen Fräuleins. Ah, jetzt habe ich meinen Mann verraten. Juda. Tamar, die das Kind Judas gebar. Tamar, die Juda seinem Sohn Ger zum Weib gegeben. Sela aber, Gers jüngster Bruder, da man sagte, Tamar wäre unfruchtbar, widersetzte sich, einzugehen zu der Witwe. Und sie legte die Witwenkleider von sich und nahm den Schleier und verhüllte sich und setzte sich vor das Tor von Enaim an dem Wege gen Timnath; denn sie sah, daß Sela groß geworden war, und sie ward ihm nicht zum Weibe gegeben. Oh, die Wonne Tamars, da sie sich verkleidet! Denn weil sie ihr Angesicht verhüllt, meinte Juda, als er sie sah, sie wäre eine Hure. Relative cyclical impotence. Nicht bei der Frau. Nur Orgasmus. Der macht die Frau zur Mutter. Der macht die Frau zur Hure. Maria Magdalena. Valeria Messalina. Wie zauberhaf mag das Glücksgefühl sein, wenn die Frau die Lust, die sie nie erfahren hat durch ihren Mann, anderswo empfindet. Relative cyclical …, was denn wäre das für die Frau? Nuptial bed. Pipette. Vaginismus. Orgasmus. Oh, Heilige Jungfrau Maria! Mutter Maria wurde sie, dem Manne Josef nur verlobt und ohne bei ihm gelegen zu haben, durch den Heiligen Geist. Ach, mich verlangt nach dem Geist des Bösen. Heiliger Geist, welch ein schönes Symbol.)
Der Mann riß sich los vom Bett; ihr schien, als hob er Banknote und Visitenkarte auf. Sie wartete darauf, daß er ihr einen Schlag oder einen Tritt in den Rükken versetzte. Indessen sagte sie mit einem kindlichen Ausdruck: »Die habe ich von dem Herrn bekommen.« (Ich will ihn ansehen, meinen Mann, will den knabenhafen Blick imitieren, mit dem mich das junge Fräulein angesehen hat.) Steif hatte sie sich aufgesetzt, und während sie ihm Banknote und Visitenkarte aus der Hand riß, sah sie ihrem Mann geradeaus in die Augen.
»Von seiner jüngeren Schwester. Sie war hier, um die Hündin decken zu lassen.« (Und wenn es wirklich Geld wäre, das ich von einem Mann bekommen hätte …) »Das habe ich bekommen. Und ich darf es ja wohl annehmen.« Während sie die Knöpfe am weißen Hemd ihres Mannes öffnete, fuhr sie fort: »Es war ein junges Fräulein, rein wie der weiße Flieder. Ich dachte: wenn das deine Geliebte wäre! Vielleicht könntet ihr irgendwann miteinander übereinkommen; sollte ich in den nächsten drei Jahren kein Kind bekommen, darfst du dir gern eine Konkubine nehmen.« (Herr Cocu …) »Auch unser Playboy wird Vater werden.«
»Warum willst du dich eigentlich nicht noch einmal vom Arzt untersuchen lassen?«
Eine Frau ohne Haltung hätte ihren Mann beschimpf. Oder sie hätte mit
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