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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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wo die Unterschiede so gering sind wie bei Rind und Zebu oder bei Pferd und Esel. Ich aber experimentiere ja höchstens mit einigen Meerestieren aus den niederen Klassen.« »Das beruhigt mich allerdings.« Die Dame, erstaunt über ihre eigenen Worte, stand auf, und während sie, indem sie sich dem Bett näherte, wie kokettierend auf die Augenlider ihres Mannes hinabsah, fragte sie: »Was hattest du aber heute für ein Untersuchungsmaterial? Ich meine: von dem du dir Präparate angefertigt hast – ? Ein schrecklicher Geruch!«
    Dann spürte sie, wie auf dem Grund ihrer Kälte eine Wonne aufzuwirbeln begann: (Es heißt zwar, wenn ein Mann sich dabei eine Hure vorstellt, merkt das die Ehefrau sofort mit allen Fasern und wird frigide; ein Mann aber, der sich an kleine Gläser erinnert … Selbstmord. Leichnam meines Mannes, bleich hingestreckt im Labor. Ein Opfer der Wissenschaf. Wild verstreut die kleinen Gläser.)
    »War es ein Mensch? Etwa ein zum Tode Verurteilter?« (93)

    Der Schatten der älteren Schwester

    »Ich mochte, liebe Sakiko, so schrecklich gern wieder einmal ein Krabben-Kōramushi essen: die Krabben mitsamt den Schalen gedämpf, wie wir sie damals bei der Kochprüfung zubereiteten. Erinnerst du dich? Du wirst doch in deiner Küche genügend Geräte dafür angeschafft haben? Ob ich wohl kommenden Sonntag meine Künste bei dir versuchen dürfte?« Sowie sie diese Karte geschrieben hatte, verließ Tsuruko das Bibliotheksgebäude und ging, um sie expreß aufzugeben, zum Postamt vor dem Ueno-Bahnhof.
    Man konnte glauben, sie wäre nur in die Bibliothek gekommen, um die eine Postkarte zu schreiben. Dabei hätte sie das, ohne eigens deswegen auszugehen, ebensogut in ihrem Apartment erledigen können; aber schließlich hätte sie irgendwie ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn sie einmal nicht in der Bibliothek erschienen wäre. Andererseits fand sie auch dort keine Ruhe.
    Als Tsuruko am Sonntag dann ein wenig befangen zum Tor hereintrat, kam ihr Sakiko aus der Küche entgegengeflogen: »Da bist du ja! – ah, was für ein Glück! Das war schrecklich, die Krabben suchen. Wie, hast du da ein Mitbringsel für mich?«
    »Das hier? Einen Küchenkittel habe ich mir gekauf.« »Ach, du bist mir eine! Davon habe ich ja doch zwei oder drei. Dummerchen du!«
    Tsuruko nickte hierauf so brav, daß Sakiko loslachte und meinte: »Na, siehst du!« Aber Tsuruko, die um acht aus ihrem Apartment weggegangen war, hatte aus Furcht, allzu früh am Morgen zu Sakiko zu kommen, unterwegs einen Abstecher in ein Kaufaus gemacht, und das war nun der Küchenkittel, den sie dort ohne viel Überlegung gekauf hatte.
    Mochte Sakiko in aller Unschuld darüber lachen: daß sie von ihrer Lust auf ein Krabben-Essen geschrieben, daß sie den Kittel gekauf hatte, – für Tsuruko selbst waren dies die Vorwände für einen Besuch bei Sakiko.
    »Die Krabben, weißt du, sind etwas klein«, meinte Sakiko, während Tsuruko hinter ihr her die Küche betrat, wo in einem neuen Bambuskorb Krabben lagen, die aussahen wie für die Puppenküche.
    Tsuruko beugte sich über sie. »Meine Güte. Die machen
aber wütende Gesichter, wie?«
»Gesichter? Sind das Gesichter?«
»Was sonst?«
    »Nein, sag mal ehrlich!« Dabei bekam Sakiko ein so kindlich ernstes Gesicht, daß es Tsuruko mit einem glücklichen Lachen warm wurde um die Brust. »Was findest du denn komisch daran, was denn?« Sakiko, wie wütend, beide Arme ließ sie schlaff herabhängen, begann ihren Leib gegen Tsuruko zu drängen. Und Tsuruko lachte, daß ihr schließlich auch die Kraf aus den Armen schwand, und dann, den Rücken an der Wand, die beiden Leiber gegeneinander gepreßt, kamen ihr vor lauter Lachen die Tränen. »Worüber lachst du denn bloß so?«
    »Ich lache ja schon nicht mehr, ich höre ja schon auf«, erwiderte Tsuruko und erinnerte sich dabei, wie die kleinere Sakiko sie in der Schule so of von hinten her umschlungen hatte, um sich von ihr Huckepack tragen zu lassen.
    Als sie vor nun etwa zwei Monaten von Sakiko die Nachricht erhielt, daß sie, weil Imamura von der Universität Kyōto an ein Institut der Universität Tōkyō übergewechselt sei, rasch Hochzeit feiern und zusammen in die Hauptstadt gehen wollten, hatte Tsuruko sich bange gefragt, was das danach wohl für ein Wiedersehen gäbe, und nächtelang nicht schlafen können; doch als die beiden sie dann auf dem Bahnhof Tōkyō abholten, versteckte sich Sakiko mit einem verstohlenen Lachen hinter Imamura und meinte:

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