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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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Unbehauste, ging Tsuruko nun brav wie ein Kind und völlig darein ergeben, neben ihm her. »Sollten wir jetzt nicht heimgehen?« »Ja.«
    Als erinnerten sie sich auf einmal, traten sie mit raschen Schritten auf die Straße hinaus, in der die Straßenbahn verkehrte. Die Bahn, die Imamura benutzte, kam zuerst. Er legte die Hand leicht an den Hut und ging geradewegs an die Haltestelle, blieb aber reglos stehen, bis der Zug davongefahren war, und kam darauf wieder zu ihr herüber.
    »Nein, ich lasse es nicht zu, daß du allein zurückkehrst in dein Apartment; es wartet ja auch niemand auf dich. Gehen wir doch zu uns, und da bleibst du heute besser über Nacht.« »Ja.«
    Tsuruko nickte benommen. Und während sie auf die Bahn warteten, sagte sie, ohne sich dabei etwas zu denken: »Neuerdings träume ich immerzu von meiner älteren Schwester. Weil das so häufig passiert, habe ich Angst, ich könnte auch sterben. Und an die Familie auf dem Land habe ich einen Brief geschrieben und gefragt, ob nicht etwa Schwesters Totentafel auf dem Hausaltar umgefallen ist.« Aber Imamura hatte sich plötzlich zur Seite gewandt und war hinüber in Richtung der Haltestelle losgegangen. Nachdem sie ein gutes Stück mit der Bahn gefahren waren, fing diesmal Imamura an: »Sie ist mit fünfzehn gestorben, deine Schwester, nicht wahr?«
    »Ja. Aber das ist seltsam. Im Traum ist sie für mich noch immer die ältere Schwester. Ist sie zusammen mit mir genauso zur Erwachsenen geworden. Und nicht nur im Traum, überhaupt wenn ich an sie denke, stelle ich mir meine Schwester als Erwachsene vor. Es wird also dabei bleiben, daß sie mich mein Leben lang überragt.«
    »Selbst mit fünfzehn, bilde ich mir ein, war deine Schwester größer als du jetzt.«
    »Das ist wahr. Zwar war sie nur ein Jahr über mir, aber sie wirkte wie fünf oder zehn Jahre älter, und tatsächlich habe ich sie geachtet wie einen für mich unnahbaren Menschen. Damals etwa, als sie im Krankenhaus lag, und sie hatte ihre großen Augen wie in tiefem Nachdenken weit geöffnet, fürchtete ich mich irgendwie und hofe, ich könnte sie dadurch zum Lachen bringen, daß ich vor ihr einen komischen Tanz imitierte. Und wirklich lachte sie auch kurz auf, – so als hätte sie zum bloßen Schein den Mund geöffnet. Nun, das mochte noch angehen; aber ihr Mund war ganz ausgetrocknet, und als sie ihn wieder schloß, blieb die Lippe an einem Überzahn hängen, hing dann noch immer fest, als hätte sie selber es nicht bemerkt. Später fragte ich mich, ob sie nicht vielleicht mit diesem Gesichtsausdruck gestorben war, und ich kam mir mit meinem Tanz recht albern vor …« »So war das also.«
    »Ach, und dabei war es seit meinen Kindertagen nicht
    ein einziges Mal vorgekommen, daß ich mich meiner Schwester überlegen gefühlt hätte. Jeder lobte nur sie, und selbst wenn sie mit mir schimpfen, beriefen sie sich auch in Kleinigkeiten stets auf meine Schwester.« »Einmal, ich weiß nicht mehr, wann das war, hast du gesagt: ›Meine ältere Schwester, weil sie fleißig arbeitet, ist die Erste. Weil ich immerzu spiele, bin ich die Vierte. Was ist denn nun besser?‹ hast du mich gefragt, und dabei warst du schrecklich wütend auf deine Schwester, oder?«
    »Ja, ich erinnere mich. Alle Leute ringsum hatten so etwas in ihren Blicken, als wollten sie sagen: da meine ältere Schwester eine gute Schülerin ist, muß ich eine schlechte Schülerin sein. Ein Wildfang wie ich wird eben von Anfang an als Faulpelz behandelt.« »Aber die beliebtere warst doch überall du.«
    »Meine Schwester hatte eine Art, auch Erwachsenen gegenüber ein wenig schüchtern auszuweichen. Mich hat das immer geärgert.«
    »Trotzdem, daß du dich niemals deiner Schwester überlegen gefühlt hättest, – das ist doch nicht wahr. Versuche dich heute nacht im Bett einmal genau zu erinnern. Und wenn du dir jetzt noch im Traum sogar unterlegen vorkommst, mußt du zusehen, daß du das rasch überwindest.«
    »Ich weiß, du hast recht«, erwiderte Tsuruko arglos, ohne Imamura anzusehen.
    Sakiko empfing die beiden in heiterer Laune, und sie beschlossen, daß Tsuruko und sie diese Nacht oben im Sechs-Matten-Zimmer schlafen sollten.
    Als sie ausgezogen war und sich das Nachtgewand übergestreift hatte, lehnte Sakiko gedankenverloren
    gegen den Pfeiler und schaute Tsuruko zu: »Du träumst
so viel von deiner älteren Schwester?«
»Ach, hast du es von ihm schon gehört?«
»Und Träume von mir …?«
    »Hm. Of, – das kannst du mir

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