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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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hatte das Mädchen alle Mühe darauf verwandt, die Schönheit weiblichen Leids zu verfeinern. Nun durchtränkte dies meine Einsamkeit. Und vielleicht entstand so der Tau der Trauer, daß meine Einsamkeit auf die Nägel des Mädchens tropfe.
    Ich legte den kleinen Finger des Mädchens auf den Zeigefinger meiner freien Hand, und während ich seinen langen, schmalen Nagel mit der Daumenkuppe rieb, betrachtete ich ihn eingehend. Ungewollt berührte dabei mein Zeigefinger die unter dem Schild des Nagels verborgene Kuppe des Mädchenfingers. Erschrokken zog sich dieser kleine Finger zusammen. Auch der Ellbogen krümmte sich.
    »Oh, kitzelt das?« fragte ich den Mädchenarm. »Nicht wahr, das kitzelt!«
    Da hatte ich unbewußt etwas recht Dummes gesagt. Hatte den Mädchenarm merken lassen, daß ich wußte, wie empfindlich bei einer Frau die Fingerkuppe unter einem lang gewachsenen Nagel ist, daß ich, mit anderen Worten, außer diesem Mädchen auch sonst die Frauen ziemlich gut kannte.
    Tatsächlich hat mich früher einmal eine Frau, die an Jahren wohl nicht so sehr viel älter war als das Mädchen, das mir nun für eine Nacht seinen Arm geliehen, dafür aber schon mehr Erfahrung gehabt im Umgang mit Männern, darüber aufgeklärt, daß eine auf diese Weise vom Nagel verdeckte Fingerkuppe besonders kitzlig sei. Sie meinte, da man sich daran gewöhne, alles mit den langen Nagelspitzen und nicht mehr mit den Fingerkuppen anzufassen, reagierten diese um so empfindlicher, wenn sie dann doch einmal etwas berührten.
    Mich überraschte diese unerwartete Entdeckung, und die Frau fuhr fort: »Ob beim Zubereiten der Speisen, ob beim Essen, – sobald ich nur irgendwas mit den Fingerkuppen berühre, habe ich gleich das Gefühl: ah, wie schmutzig! Und es schaudert mich bis in die Schultern. Das gibt es, wirklich …«
    Wollte sie sagen, das Essen werde schmutzig? Oder
    sprach sie von ihren langen Nagelspitzen? Vermutlich würde ein Gefühl der Unreinlichkeit sie erbeben lassen, was immer sie mit einer Fingerkuppe berührte. Und es blieb dann, verdeckt vom Schild des langen Nagels, an jener Fingerkuppe ein Tropfen vom Tau leidvoll erlittener Unreinlichkeit zurück.
    Es war nur natürlich, daß dadurch mein Verlangen noch wuchs, die Fingerkuppen der Frau zu berühren; doch gerade dies tat ich nicht. Meine Einsamkeit widersetzte sich dem. Es war eine Frau, an deren Körper es wohl kaum noch irgendwelche Stellen gab, die auf eine Berührung besonders empfindlich reagierten. Bei dem Mädchen hingegen, das mir seinen Arm geliehen hatte, war vermutlich der ganze Körper übersät mit derartigen empfindlichen Stellen. Einem solchen Mädchen die Fingerkuppe zu kitzeln, kam mir durchaus nicht wie ein Verbrechen vor, ja, es schien möglich, an eine Liebkosung zu denken. Andererseits hatte mir das Mädchen den Arm zweifellos nicht geliehen, daß ich nun Unfug damit trieb. Ich durfe keine Farce daraus machen.
    »Das Fenster …« Ich bemerkte plötzlich, daß zwar die Fensterflügel geschlossen waren, doch hatte ich den Vorhang nicht vorgezogen.
    »Schaut denn etwas herein?« fragte der Mädchenarm.
    »Wenn etwas hereinschaut, so ist es ein Mensch.« »Der mag nur immer schauen, – mich kann er nicht sehen. Es müßte schon dein Ich sein, falls es überhaupt jemanden gibt, der mich bemerkt.«
    »Mein Ich? … Was heißt das: mein Ich? Wo ist mein Ich?«
    »Das Ich ist weit«, erwiderte der Mädchenarm, und es
klang wie ein Trostlied: »Auf der Suche nach dem fer-
nen Ich wandert der Mensch umher.«
»Und erreicht er es?«
    »Ach, das Ich ist weit«, wiederholte der Mädchenarm.
    Auf einmal hatte ich den Eindruck, als läge eine unendliche Ferne zwischen diesem Arm und dem Mädchen, zu dessen Körper er gehörte. Würde der Arm jemals zurückkehren können zu seinem fernen Mutterleib? Würde ich ihn wirklich jenem Mädchen in der Ferne zurückbringen können? Würde das Mädchen, der Mutterleib, im Vertrauen auf mich jetzt ruhig schlafen, wie dieser eine Arm des Mädchens ruhig war im Vertrauen auf mich? Keine Dissonanzen aus dem Verlust des rechten Arms, keine bösen Träume? War es nicht so gewesen, daß das Mädchen, als es sich von seinem rechten Arm getrennt, gegen die aufsteigenden Tränen in seinen Augen angekämpf hatte? Dieser eine Arm war nun in meinem Zimmer, doch noch nie war das Mädchen hiergewesen.
    Die Fensterscheiben, von der Feuchtigkeit wolkig beschlagen, kamen mir vor, wie mit der Haut von Krötenbäuchen bespannt. Im Nebel,

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