Träume jenseits des Meeres: Roman
fremder Boden war, der nur harte Arbeit versprach.
Die Soldaten begannen, oberhalb der Flutlinie ein Lager aufzuschlagen. Das Klingen von Äxten und die Rufe von Männern, die den Boden frei räumten und weiße Zelte aufschlugen, drangen über das Wasser zu ihnen. Das alles trug die Handschrift eines Militärlagers mit dem üblichen geschäftigen Treiben und den lauten Kommandos, und Susan fragte sich, wie sie wohl damit zurechtkäme, unter Zeltbahnen zu wohnen, in denen es keine richtigen Wasch- und Kochgelegenheiten gab.
Am Spätnachmittag kletterte Susan die Strickleiter hinunter in das Beiboot. Ezra half ihr steif und förmlich hinein. Im Gegensatz zu George und Ernest, die vor Aufregung beinahe platzten, klammerte sich Florence an den Bootsrand, als sie an Land gerudert wurden.
Die Hitze war beinahe unerträglich, und Susan konnte noch so stark mit ihrem Fächer wedeln, die Fliegen umschwärmten ihr verschwitztes Gesicht in dunklen Wolken. »Zum Glück habe ich deinen Rat befolgt und Korsett und Unterröcke ausgezogen«, raunte sie Ann zu.
Das Gesicht ihrer Schwägerin war gerötet, und die hellbraunen Locken klebten ihr an den Wangen. »Das kommt von Gilberts jahrelanger Erfahrung in Indien«, erwiderte sie. »Es fühlt sich im ersten Augenblick komisch an, aber er sagt, ohne diese Kleidungsstücke sei es viel bequemer.« Sie verstummten, als ihr Boot an den Strand gezogen wurde.
Susan stieg aus; der Boden unter ihren Füßen hob und senkte sich.
Ernest schob sich an seinem Vater vorbei und nahm ihren Arm, um sie zu stützen. »Wir haben Matrosenbeine«, sagte er, schelmisch lächelnd. »Aber Onkel Gilbert sagt, das Gefühl wird bald vergehen.«
Susan legte ihm eine Hand an die Wange und spürte erste Bartstoppeln. Ihr Sohn wurde groß, war fast schon ein Mann – und sie liebte ihn für die Art, wie er sich ihrer annahm. Könnte Ezra doch auch so fühlen!
»Wilde! Wir sind des Todes!«
Susan packte George, und Ezra packte Florence. Ernest packte sein Gewehr.
Rasch bildeten Soldaten und Matrosen eine geschlossene Front zwischen den Einwanderern und der Handvoll finster dreinblickender, brüllender und Speere werfender Wilder. »Feuert über ihre Köpfe hinweg«, rief Arthur Phillip. »Es soll keine Toten geben.«
Die Schwarzen zogen sich hastig zurück, warfen aber weiterhin unter kreischenden Beschimpfungen Steine und Speere.
»Wohin hast du uns nur gebracht?«, rief Susan über den donnernden Lärm der Gewehre hinweg. »Wir werden alle massakriert.«
Ezra versuchte, die hysterische Florence zu beruhigen. »Wir sind vollkommen sicher«, schrie er zurück. »Die Armee wird uns beschützen.«
Susan kauerte sich mit ihnen hinter einen Baum und hängte sich an George, der geradezu versessen darauf schien, sich den Soldaten anzuschließen. Mit wildem Blick suchte sie nach Ernest, den sie schließlich am anderen Ende der Lichtung entdeckte. Schluchzend atmete sie aus. Er lud sein Gewehr immer wieder von neuem und feuerte in die Luft. Trotz seiner Jugend hatte er offenbar überhaupt keine Angst – ihm schien das Ganze sogar Spaß zu machen, was sie noch mehr beunruhigte.
»Um Himmels willen, Ezra«, rief sie. »Wir können hier nicht bleiben. Wir müssen unsere Kinder schützen.«
»Sie werden beschützt«, sagte er mit fester Stimme, als die Eingeborenen erneut im Busch verschwanden und die Männer sich wieder an die Arbeit machten. »Wir haben die Armee und die Matrosen und Gouverneur Phillip, die für Ordnung sorgen. Wir dürfen jetzt nicht aufgeben, Susan.«
In seinen Augen blitzte Hochstimmung auf, und sie wurde noch mutloser, Tränen rannen ihr über das Gesicht. »Du siehst hier eine Chance, Gottes Werk zu tun, nicht wahr?«, fragte sie.
Ezra nickte. »Die Sträflinge sind gottlos, ebenso wie diese armen Geschöpfe. Gott hat mich hierher geschickt, um Sein Werk zu tun, Susan. Ich kann und will mich nicht davon abbringen lassen.«
»Auch nicht auf Kosten der Sicherheit unserer Kinder?« Ihre Tränen waren versiegt, jetzt umklammerte nur eine kalte Gewissheit ihr Herz.
»Gott wird uns beschützen«, sagte er sanft. Er streckte einen Arm aus, als wollte er ihre Hand berühren, dann zog er ihn wieder zurück. »Hab Vertrauen zu Ihm und zu mir, Susan. Wir sind zu einem äußerst wichtigen Zweck hier, und den können wir nur erfüllen, solange wir fest zu unserem Entschluss stehen.«
Sie wollte ihm glauben, wollte ihn ihrer Liebe versichern und ihm bis ans Ende der Welt folgen, wenn er ihr
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