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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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nur einen Bruchteil der früheren Wärme gezeigt hätte. Sie war jedoch nicht bereit, ihre Kinder zu opfern. »Ich möchte, dass du mir versprichst, die Kinder mit dem ersten Schiff wieder nach Hause zu schicken«, schloss sie. »Sie können bei meiner Familie in Cornwall wohnen, bis deine Mission hier erfüllt ist.«
    »Es kann eine Weile dauern, bis die Zweite Flotte hier eintrifft«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Und Ernest ist kein Kind mehr.« Dann wurde seine Miene milder, und er nickte. »Sollte es ihr Wunsch sein zurückzukehren, wenn die Schiffe kommen, dann soll es so sein. Ich gebe dir mein Wort.«
    Billys Beine waren schwach, und er hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, als er mit den anderen von der Charlotte an Land kam. Suchend schaute er sich nach Nell um, erfuhr aber bald, dass die weiblichen Gefangenen in den nächsten Tagen nicht ans Ufer gebracht werden sollten. Billy grinste. Ohne Zweifel wollte Gouverneur Phillip das Lager voll eingerichtet haben, bevor sie kamen; sobald die Frauen an Land wären, könnte man die Männer zu nichts mehr gebrauchen. Er zog sich die Hose hoch und versuchte, nicht an ihr weiches Fleisch und ihre warmen Brüste zu denken, sondern begab sich auf die Suche nach seiner Schwester.
    »Billy!« Susan rannte auf ihn zu und warf sich in seine Arme. »O Billy, wie schön, dich wiederzusehen!«
    Ihre Umarmung warf ihn beinahe um, und er grinste verlegen, als sie wie Kletten aneinanderhingen. Auch er freute sich, sie zu sehen und ihre drahtige Kraft zu spüren, die ihm Hoffnung verlieh. Er lehnte sich zurück und sah sie an. Sie war dünner, als er sie in Erinnerung hatte, und ihre Augenlider waren geschwollen. Offenbar hatte sie geweint. Er küsste sie auf die Wange, verbarg seine Wut auf Ezra, dass er sie hierher gebracht hatte. »Jetzt sind wir so weit gekommen«, murmelte er, »dann werden wir auch überleben.«
    Sie hatte unzählige Fragen, und es gelang ihm, die weniger appetitlichen Aspekte seiner Reise zu umgehen. Susan musste nichts über die Ratten und den Dreck im Laderaum wissen, wo die Männer sich um ranziges Essen und Brackwasser geschlagen hatten. Sie brauchte nichts über den sadistischen Mullins zu erfahren und die Peitsche, mit der Billys Rücken zur Genüge Bekanntschaft gemacht hatte, oder über das Entsetzen, das ihn überkam, wenn ihm das Wasser bis an den Hals stieg, so dass er schwimmen musste, um dem im Sturm schlingernden Spantenwerk auszuweichen.
    »Du siehst so dünn aus«, sagte sie. »Hast du denn die Sonderrationen bekommen? Und wo sind die Sachen, die ich dir geschickt habe?«
    Plötzlich wurde ihm bewusst, wie er aussehen und riechen musste. Er trat von ihr zurück, Schamesröte stieg ihm ins Gesicht. »Beides habe ich dankbar entgegengenommen«, sagte er steif. »Doch unter den gegebenen Umständen wurden wir nur einmal in der Woche mit Meerwasser überschüttet, um sauber zu bleiben. Alles war im Nu verrottet.«
    Ihre weiche Hand berührte sein Gesicht. »O Billy«, seufzte sie. »Ich wünschte …«
    »Ich weiß«, sagte er hastig. »Aber sobald ich Gilbert gefunden und herausbekommen habe, was er mit mir vorhat, gibt es eine Möglichkeit, an saubere Kleidung und Seife zu kommen.« Zärtlich wischte er eine Träne von ihren Augenwimpern. »Mir geht es besser als vielen anderen hier«, sagte er leise. »Immerhin habe ich meine Familie.«
    »Wird man dir erlauben, bei uns zu wohnen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    Billy vernahm das Beben in ihrer Stimme, und das Herz tat ihm weh, als er den Kopf schüttelte. »Ich bin noch ein Sträfling«, erinnerte er sie. »Ich werde da drüben bei den anderen schlafen.«
    Die Sonne versank an jenem Tag bereits hinter den sanften grünen Hügeln, als man sich auf der Lichtung versammelte. Billy stand bei den anderen Sträflingen. Die britische Flagge wurde über Sydney Cove gehisst. Schüsse wurden abgefeuert, man prostete sich zu. Es war ein Datum, das in die Geschichte eingehen würde, denn an jenem Tag war der weiße Mann gekommen, um für immer in Australien zu bleiben.
    Port Jackson, 6. Februar 1788
    Nell war ungeduldig geworden, als man sie mit den anderen Frauen an Bord der Lady Penrhyn festhielt. Als sie nun in einem der vielen kleinen Ruderboote saß, verwandelte sich ihre Ungeduld in Angst. Sie waren in der Minderheit, und die Männer am Ufer bellten wie geifernde Wölfe.
    Sie schaute sich unter den anderen Frauen um. Bess klammerte sich an den Matrosen, an den sie sich gehängt

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