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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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sie haben bereits unsere heiligen Traumplätze zerstört«, begehrte einer der jüngeren Männer auf. »Wie konnte Garnday so etwas zulassen?«
    Lowitja schluckte und zwang sich, ruhig zu sprechen. Sie hatte die dunklen Tage vorausgesehen und wusste, dass es lebenswichtig war, jetzt zu handeln, bevor die Vorhersage Wirklichkeit wurde. »Es ist eine Warnung vor ihrer Macht und ihrer Unwissenheit«, sagte sie in die Stille hinein. »Wenn wir Blutvergießen und die Vernichtung unserer Traumplätze vermeiden wollen, müssen wir sie in unsere Gewohnheiten einführen und sie in unserer Spiritualität unterweisen.«
    Pemuluwuy und Bennelong nickten, doch Lowitja sah, dass nicht alle Ältesten überzeugt waren. Bei dieser Erkenntnis lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Dunkle Wolken ballten sich zusammen: Wenn man ihren Worten nicht folgte, würde ein großer Sturm losbrechen, der ihre alten Traditionen ein für alle Mal hinwegfegen würde.
    Lowitja spürte, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen müsste. Ein paar Tage später ging sie allein zum Lager des weißen Mannes, hockte sich in den Schatten der Bäume und beobachtete die Frau, die eine Mahlzeit zubereitete. Deren Haut war sehr bleich, ihr Haar glitzerte in der Sonne, und sie trug eigenartige Körperbedeckungen, die ihr bis auf die Füße reichten. Lowitja beäugte die merkwürdigen Häute an ihren Füßen und fragte sich, was das wohl sein mochte. Dies alles war höchst sonderbar, doch wirkte die Frau einigermaßen freundlich, und sie konnte hier schließlich nicht den ganzen Tag herumsitzen.
    Lowitja trat still aus dem Schatten und ging auf sie zu.
    Susan hatte sie unter den Bäumen lauern sehen, und ihr war klar, dass die Kleine ebenso nervös war wie sie selbst. Sie fuhr fort, das Abendessen vorzubereiten, und schaute verstohlen zu der Eingeborenen hinüber, wenn sie zwischen Zelt und Tisch hin- und herging.
    »Hallo«, sagte sie ruhig, als das Mädchen in einiger Entfernung stehen blieb. Sie lächelte warmherzig und bat sie durch Gesten, näher zu kommen.
    Das Kind zögerte und warf nervöse Blicke über die Lichtung, bereit, beim leisesten Geräusch loszurennen.
    Susan blieb stehen. Schweigend standen sie voreinander und nahmen gegenseitig Maß. Bei näherem Hinsehen erkannte Susan, dass es gar kein Kind war, sondern eine voll ausgereifte Frau. Sie war schmächtig und kleiner als Susan, tiefe Kerben waren in ihr ebenholzfarbenes Fleisch geschnitten – es konnte sich nur um Stammeszeichen handeln. Ihr wirres Haar war rostbraun, und ihre Augen über der breiten Nase und den vollen Lippen waren dunkel. Obwohl sie bis auf einen Gürtel aus Schnüren nackt war, besaß sie eine natürliche Würde.
    Zögernd trat die junge Frau einen Schritt auf sie zu. »Lowitja«, sagte sie.
    »Susan.« Sie lächelte aufmunternd und war im Stillen dankbar, dass sie allein war, denn der Anblick der Männer hätte die Frau verängstigt und in die Flucht geschlagen.
    Lowitja trat noch einen Schritt näher und streckte vorsichtig eine Hand aus, um über Susans Röcke zu fahren. Offensichtlich gefiel ihr, was sie spürte, denn sie schaute lächelnd zu Susan auf, wobei sie eine Reihe feiner weißer Zähne entblößte.
    Susan nahm das saubere Taschentuch, das sie sich in den Rockbund gesteckt hatte, und hielt es Lowitja hin. »Für dich«, sagte sie. »Ein Geschenk für Lowitja.«
    Das Taschentuch wurde entgegengenommen und genau in Augenschein genommen, bevor es zurückgegeben wurde. Susan versuchte ihr zu verstehen zu geben, sie könne es behalten, doch Lowitja schien es nicht haben zu wollen. Sie standen auf der Lichtung, unfähig, miteinander zu reden, und Susan erfuhr die gleiche Enttäuschung, die Jonathan mit Watpipa und den Eingeborenen im Norden erlebt hatte. Sie wollte Lowitja schon beschwatzen, etwas von dem Eintopf zu probieren, den sie gerade kochte, als die junge Frau etwas Unverständliches vor sich hin brabbelte und wieder zurück unter die Bäume lief.
    Im Laufe der Monate gewöhnte sich Susan daran, dass Lowitja schweigend an ihrer Seite auftauchte. Sie brachten sich gegenseitig ein paar Wörter bei, doch im Großen und Ganzen verständigten sie sich durch Gesten, Kopfnicken und Lächeln.
    Als Susan sich hinsetzte und ihrer Mutter und Tochter schrieb, erwähnte sie weder ihre Nöte noch die plündernden Krokodile und giftigen Schlangen oder die Plackerei, an einem Herd zu arbeiten, wenn das Thermometer über vierzig Grad kletterte. Sie ließ sich in ihren

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