Träume jenseits des Meeres: Roman
Briefen über die Wunder dieser neuen Kolonie aus und über die zarten Freundschaftsbande, die die Siedler mit den Eingeborenen geknüpft hatten.
Heute habe ich mein erstes Känguru gesehen. Was ist das doch für ein sonderbares Tier, das auf seinen großen Hinterbeinen herumhüpft! Doch wurde mir versichert, es ergebe eine gute Mahlzeit, und die Männer gehen oft auf die Jagd und erlegen diese Tiere für den gemeinschaftlichen Topf.
Die Eingeborenen fangen allmählich an zu begreifen, dass wir hier bleiben, und haben freundliche Vorstöße unternommen. Wir haben ihnen zu essen gegeben, aber anscheinend ziehen sie den Rum vor, und der bekommt ihnen nicht gut, denn sie sind Alkohol nicht gewohnt und werden schnell bewusstlos.
Es sind primitive Jäger und Sammler, sie bauen nichts an, züchten kein Vieh und haben nicht einmal richtige Unterkünfte. Wir haben ihnen Werkzeuge geschenkt, Decken und Kleider, aber das alles wird abgewiesen, und Ezra hat Schwierigkeiten mit ihrer Nacktheit. Ich finde sie nicht anstößig, denn für sie und ihre Umgebung ist es nur natürlich. Ich wünsche mir oft, ich könnte mich ausziehen und im Meer schwimmen wie sie, hier ist es so heiß, dass ich in meinen Kleidern ersticke – aber das würde natürlich alle zutiefst schockieren, also muss ich weiterhin vor Hitze fast umkommen.
Gouverneur Phillip hatte gehofft, die Eingeborenen würden bei der Errichtung der Kolonie helfen – die zusätzlichen Arbeitskräfte hätten wir gut gebrauchen können –, doch alle Bemühungen in dieser Richtung sind fehlgeschlagen. Sie weigern sich einfach, für uns zu arbeiten, weshalb es den Sträflingen überlassen ist zu graben, Steine zu behauen und dauerhafte Unterkünfte für uns zu bauen.
Der Diebstahl von Nahrungsmitteln, Rum und Vieh ist zu einem Spiel geworden. Unsere Männer verfolgen sie, aber die Eingeborenen sind zu geschickt und werden nur selten gefangen. Meine Freundin Lowitja lacht über die Versuche unserer Männer, den Wald zu durchdringen, der uns umgibt, und ich muss ihr zustimmen, sie sind unbeholfen, und jeder Dieb, der etwas auf sich hält, hört sie schon von weitem.
Was mich betrifft, so geht es mir gut. Ich verbringe die meiste Zeit mit der Behandlung der Kranken und pflege meinen Gemüsegarten. Ezra hat sich in seiner Arbeit eingerichtet mit Florence an seiner Seite, und die Schule wird gut besucht. Ernest arbeitet bereits auf einer Regierungsfarm als Vorbereitung auf sein eigenes Stück Land, und George wächst zu einem netten jungen Mann heran. Er scheint für dieses Leben wie geboren. Er ist jetzt so groß, braungebrannt von der Sonne, seine Energie ist unerschöpflich. Es fällt sehr schwer, ihn bei seinen Büchern zu halten, wenn doch Pferde, Fischfang und allerhand Unfug draußen auf ihn warten.
Billys Arbeit als Quartiermeister für Gilbert scheint sich zu lohnen. Er hat die Erlaubnis bekommen, ein eigenes Zelt in einigem Abstand zu den anderen Sträflingen zu beziehen, und Gilbert ist voll des Lobes für seine Anstrengungen. Außerdem hat Billy sich in eine junge Frau namens Nell verliebt. Sie hat endlose Energie und derbe Ansichten, und obwohl ihr Benehmen zuweilen ein wenig zu wünschen übrig lässt, glaube ich, dass sie ein großer Gewinn für diese neue Kolonie sein wird.
April 1788 – April 1789, im Lager der Cadigal und Eora
Das Spiel, den Weißen etwas zu stehlen, fand ein abruptes Ende, als drei Jungen durch einen Feuerstock getötet wurden. Es hatte bereits Vorfälle gegeben – Frauen, denen Gewalt angetan wurde, Männer, die durch das süße dunkle Getränk, das so begehrenswert geworden war, auf Abwege gelockt wurden. Ihre Spiritualität und ihre heiligen Stätten wurden langsam und allmählich zerstört, und Mutter Erde war misshandelt worden. Es war an der Zeit, Lowitjas Warnungen in den Wind zu schlagen, das Land von diesem Eindringling zu befreien und den alten Frieden wiederherzustellen.
Die Überfälle fingen an, und einer der jungen Krieger tötete mit dem Speer zwei Männer, die unten an der Wasserkante bei Kogerah Binsen schnitten. Nachdem man ihn tagelang mit Hunden verfolgt hatte, wurde er schließlich geschnappt und von den rot gekleideten Männern gefangen genommen. Man sah ihn nie wieder.
Ein paar Jahreszeiten später wurden Bennelong und Colebee gefangen genommen, nachdem sie die neue Siedlung in Parramatta angegriffen hatten. Doch damit fingen ihre Probleme erst an, denn mit den weißen Männern war eine Krankheit ins Land
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