Träume jenseits des Meeres: Roman
Künstler hielten das Ereignis sorgfältig auf den geweihten Wänden des Uluru fest.
Die Hochzeit von Djanay und Aladjingu, eine Verbindung zweier mächtiger Stämme, sollte am letzten Abend um Mitternacht stattfinden. Aladjingus Volk lagerte in angemessenem Abstand zu Djanays Stamm. Kurz vor Sonnenuntergang wurde ein riesiges Feuer angelegt. Die leise pulsierenden Schwirrhölzer stimmten ihren verlockenden Ruf an.
Kurz vor Mitternacht verkündeten die Onkel den Versammelten mit einem Gesang, dass eine Hochzeitszeremonie stattfinden solle. Im vorderen Teil der Prozession trugen die Mitglieder beider Stämme jeweils einen brennenden Stock und bewegten sich in Form einer Speerspitze aufeinander zu. Als sie zusammentrafen, verbanden sich die brennenden Stöcke, so dass die Flammen hoch in die klare, stille Luft schossen.
Djanays Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als er mit Aladjingu auf ihre Onkel zuging. Malangi stand etwas abseits mit grimmiger Miene unter dem Weiß aus Lehm und Asche, dem Zeichen der Trauer. Ein Wort aus seinem Mund brächte die Zeremonie zu einem schrecklichen Ende. Djanay wagte nicht, ihn anzusehen.
»Kinder«, rief der älteste Onkel. »Das Feuer ist ein Symbol für den Ernst des mardayin . Keiner von euch beiden darf dieses Privileg, Mann und Frau, Vater und Mutter zu werden, missbrauchen oder auf die leichte Schulter nehmen. Es ist der Wille des Großen Geistes, dass ihr das Band der Ehe respektiert. So wie das vernichtende Feuer wird das Gesetz eurer Vorväter alle zerstören, die den Bund der Ehe entehren.«
Djanay zitterte, als sich ein einstimmiger Ruf erhob und Hunderte von Speeren gegen Schilde schlugen. Die brennenden Stöcke wurden in die Flammen geworfen, und alle tanzten und sangen. Die Eide, die er heute Abend abgelegt hatte, waren eine schreckliche Mahnung daran, wie knapp er dem Zorn der uralten Geister entgangen war. Er schaute auf Aladjingu; die mächtigen Worte ihres Ehegelübdes klangen ihm noch in den Ohren.
Das Mädchen schenkte ihm einen scheuen Blick und nahm seine Hand. »Mein Mann«, murmelte es. »Gemeinsam werden wir auf den Nordwind zugehen, und eines Tages wirst du mein Volk weise führen, denn ich habe das Flüstern der Urahnen vernommen.«
Djanay erkannte, dass er jetzt mit einer Frau gesegnet war, die die gleiche uralte Weisheit besaß wie seine Mutter. »Meine Frau«, erwiderte er, »gemeinsam werden wir stark sein.«
Das große Stammestreffen war vorüber. Die Kunwinjku machten sich auf die lange Wanderung nach Norden, doch schon bald wurde deutlich, dass die alte Frau nicht mehr mithalten konnte. Der Clan verlangsamte sein Tempo, um ihr Gelegenheit zu geben aufzuholen, und legte nachsichtig einen Ruhetag an einem Wasserloch ein, damit sie neue Kräfte sammeln konnte. Kurz darauf jedoch wurde einstimmig festgestellt, dass sie eine Behinderung darstellte, denn sie stützte sich so schwer auf ihren Mann, dass sie nur noch schleichend vorankamen.
Am vierten Tag, als man bereits plante, sie zurückzulassen, trat Garnday an die Seite ihres Mannes. »Ich will dir helfen«, erklärte sie ruhig, während sie das Gewicht der alten Frau auf ihren Arm verlagerte.
Als die Dämmerung hereinbrach, merkten sie, dass sie hinter dem Clan zurückgeblieben waren und kaum Hoffnung bestand, ihn bei dieser Geschwindigkeit einzuholen. Mit einem traurigem Seufzer half der Mann Garnday, seine sterbende Frau unter einen Baum auf den Boden zu betten. »Es ist die letzte Nacht«, sagte er traurig. Garnday nahm eines der kleinen, mit Wasser gefüllten Emu-Eier an sich. Dieses letzte Opfer bot sie der Älteren dar, wie es Brauch war. »Wir müssen jetzt aufbrechen«, sagte sie leise. »Ich bringe dir einen Abschiedsgruß, Kabbarli .«
Die alte Frau akzeptierte die respektvolle Anrede »Großmutter« und nahm das Opfer entgegen, doch ihre Augen waren bereits vom Tod überschattet.
Ihr Mann berührte die betagte Stirn. Tränen rollten über sein runzliges Gesicht, als er sich von der Frau verabschiedete, die er vor über dreißig Jahren geheiratet hatte. Dann wandte er sich ab und ging rasch den anderen nach, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Garnday stützte sich auf ihren Grabstock und dachte an die Zeit, die sie gemeinsam verbracht hatten. Dann schritt sie entschlossen aus, um den jetzt ihr zustehenden Platz als älteste Frau einzunehmen.
Djanay und Aladjingu ließen sich im Nordosten nieder. Dort gab es Gras im Überfluss, das Wild anlockte; Bäume spendeten Schutz vor der
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