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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Lektion gelernt, wenn er sich nicht rächte, denn wer ohne Prügelstrafe war, konnte noch an eine Zukunft glauben, die anderen hingegen, die sich danach nicht mehr aufrichten konnten, waren so verzweifelt, dass sie nur noch sterben wollten.
    Jack konnte nicht länger zusehen, gab dem Pferd die Zügel und trieb es zum schnellen Schritt an. Strafe war für diese armen Kinder selbstverständlich geworden, so wie damals für ihn auf der schrecklichen Überfahrt an Bord der Surprise . Dazu bestimmt, abzuschrecken, erniedrigte sie jedoch nur und fachte das Feuer der Rebellion an. Der Gouverneur war dumm, wenn er den schwelenden Groll dieser irischen Sträflinge ignorierte, denn ihr Hass auf die Engländer bedeutete, dass sie es früher oder später jenen heimzahlen würden, die sie zu Sklaven gemacht hatten.
    Jack war der Appetit vergangen, und er trank einen tiefen Schluck aus der Flasche mit hellem Bier, das die Amerikaner eingeführt hatten. Es war gar nicht zu vergleichen mit dem bitteren dunklen Ale aus Sussex, doch es nahm seinem Mund die Säure, löschte den Durst in der entkräftenden Hitze und stieg nicht zu Kopf. Er streckte das Bein aus, um seine Hüfte auf dem unbarmherzigen Holzsitz zu entlasten, und ließ das Pferd am Kai anhalten. Nach all den Jahren tat sie ihm noch immer weh, doch er hatte das als den Preis hingenommen, den er zu zahlen hatte, um endlich seine Freiheit zu erlangen.
    Er saß in der Sonne, sein breitrandiger Hut überschattete sein Gesicht. Er blinzelte in die Helligkeit und betrachtete den Glanz auf dem Wasser. Das Meer versetzte ihn nach wie vor in Angst und Schrecken, verursachte Alpträume vom überfluteten Bauch des Sträflingsschiffes, aus denen er schwer atmend aufwachte, in kalten Schweiß gebadet. Heute schien das Meer jedoch gnädig, und er vermochte sogar eine gewisse grausame Schönheit darin zu erkennen – die Erinnerungen aber würden nie vergehen.
    »Schiff in Sicht!«
    Jack schaute zur Landspitze und sah die Flagge, die dort gehisst worden war, aber keine Segel. Er stieg von seinem Kutschbock und führte das Pferd ein Stück über das Pflaster zu einem besseren Aussichtspunkt. Sein Herz begann schneller zu schlagen, doch er versuchte, die Ruhe zu bewahren. In den letzten Tagen hatte es so manche bittere Enttäuschung gegeben, und er wagte nicht zu hoffen, dass Alice endlich einträfe.
    Auf einem Gangspill saß ein älterer Seemann mit einem schönen Teleskop in der Hand. »Können Sie es schon sehen?«, fragte Jack ihn.
    »Vermutlich ein großes Schiff«, murmelte der ruppige alte Seemann kurz darauf. »Dicke Masten, und es liegt tief im Wasser. Schätze, es wird voll beladen sein.«
    Jack trat noch ein Stück näher an den Alten heran. Nun sah er die Segel, aber auch wenn er noch so sehr ins Helle blinzelte, er konnte nicht feststellen, welche Art Schiff es war. »Können Sie den Namen erkennen?«
    Blassblaue Augen schauten ihn kurz an, bevor der Seemann sich wieder dem Fernrohr zuwandte. »Es fährt unter britischer Flagge«, murmelte er und stellte das Fernrohr schärfer ein. »Sieht nicht aus wie ein Walfänger oder ein Handelsschiff, und es wird noch von zwei weiteren eskortiert.«
    Jack konnte seine Ungeduld kaum bezwingen. Es zuckte ihm in den Fingern, dem Alten das Fernrohr zu entreißen und selbst hindurchzuschauen, doch sein angeborener Sinn für Anstand erlaubte ihm das nicht. »Aber können Sie den Namen erkennen?«
    Es dauerte eine Ewigkeit, ehe der Mann antwortete. »Sie bringen es an den anderen Kai«, erwiderte er. »Muss ein wichtiges Schiff sein.«
    Jack biss sich frustriert auf die Lippen. Der Alte wollte ihn wohl auf die Folter spannen.
    Er ließ das Fernrohr sinken, und die blassen Augen verschwanden beinahe in den Runzeln des verwitterten Gesichts. »Es ist die Elizabeth «, sagte er. »Die Lady Elizabeth .«
    Jacks verkrüppelte Hüfte war ihm hinderlich, als er über das Pflaster lief und nach den Zügeln griff. »Ich komme, Alice«, rief er, kletterte unbeholfen auf den Karren und versetzte das erschreckte Pferd in einen schlenkernden Trott.
    Am Anleger herrschte dichtes Gedränge, und Jack zwängte Pferd und Wagen durch die Menge, ohne auf die lautstarken Beschwerden zu achten. Er stellte sich auf den Kutschbock und suchte das Schiff hoffnungsfroh nach Alice ab.
    Die Passagiere versammelten sich auf den Decks, winkten und riefen den Wartenden auf dem Kai etwas zu, doch von der vertrauten kleinen Gestalt und dem geliebten Gesicht war nichts zu

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