Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
weißen Steine sammeln und eine Kette für Birranulu machen.
    Anabarru ging wieder an den Strand und sang ihrem schläfrigen Kind leise etwas vor. In dem Augenblick, als sie die Kleine aufnehmen wollte, legte sich eine Hand über ihren Mund. Sie wurde aus dem Sand gehoben.
    Sie versuchte zu schreien, doch die Hand lag zu fest auf ihrem Mund, der Arm zu kräftig um ihren Körper geschlungen. Als ihr Entführer über den Sand in den Busch lief, begann sie, sich mit Händen und Füßen zu wehren, zog an seinem Haar und versuchte, ihm die Finger in die Augen zu stechen. Doch er war zu stark und zu fest entschlossen; da musste Anabarru nicht nur gegen ihren Entführer, sondern auch gegen ihre eigene lähmende Angst ankämpfen.
    Er trug sie in die dunklen Schatten unter den Bäumen; Anabarru wusste, wenn sie nur um Hilfe schreien könnte, würde man sie hören. Denn noch immer waren sie in der Nähe ihrer Familie – noch in Reichweite ihrer Speere. Sie wehrte sich, während er sich um Bäume und übermannshohe Farne schlängelte. Dann vernahm sie das Jammern ihres Kindes. Das gab ihr Hoffnung. Vielleicht wäre ihr Mann Watpipa jetzt gewarnt und käme ihr zu Hilfe.
    Während Birranulus Schreie unter den Bäumen widerhallten, verstärkte Anabarru ihre Fluchtversuche und versuchte, ihren Entführer aus dem Gleichgewicht zu bringen; sie trat gegen Bäume, an denen sie vorbeikamen, und langte nach Ästen. Ihre Schreie wurden durch seine Hand erstickt, und der hohle Klang der in ihrer Kehle steckenden Laute hallte in ihren Ohren wider, während sie sich verzweifelt bemühte, durch seine Finger zu atmen.
    Dann war die Hand plötzlich verschwunden. Noch ehe sie Luft holen konnte, um zu schreien, traf sie ein harter Schlag an den Kopf, und die Welt wurde dunkel.
    Anabarru beobachtete ihn durch ihre halb geschlossenen Augen, als er sie wieder vergewaltigte. Ihn zu spüren und seinen Gestank wahrzunehmen, krampfte ihr den Magen zusammen, doch sie wusste, wenn sie sich wehrte, würde sie sich einen weiteren Schlag einhandeln – vielleicht sogar den Tod. Trotz ihres blanken Entsetzens und der Erkenntnis, was er war, lag sie wehrlos unter ihm, die Fäuste geballt, und überlegte fieberhaft eine Fluchtmöglichkeit.
    An den Initiationsnarben des Stammes in seinem Gesicht und am Körper sah sie, dass er zum Volk der Lizards gehörte, und da er zuversichtlich schien, mit ihr tun und lassen zu können, was er wollte, vermutete sie, dass sie sein Stammesland erreicht hatten. Sie kämpfte gegen ihre panische Angst an. Das Volk der Lizards war dafür bekannt, Menschenfleisch zu essen: Wenn sie nicht entkam, würde sie sterben, sobald er genug von ihr hatte.
    Sie biss die Zähne zusammen und dachte an ihre Familie. Watpipa war der beste Fährtenleser im Clan, bestimmt war er ihnen dicht auf den Fersen. Ob er jedoch die heiligen Gesetze brechen und das Gebiet der Lizards betreten würde? Sie musste darauf hoffen – musste hoffen, dass sie ihm wichtig genug war.
    Ihr Blick glitt von dem Mann über ihr ab, und sie versuchte mit halb geschlossenen Lidern ihre Umgebung zu erkunden. Sie befanden sich tief im Innern einer Höhle. Bei dieser Erkenntnis überlief sie ein Schaudern. Die Sonne warf nur Lichtfinger zum Eingang herein, die allerdings auf den Felswänden merkwürdig glitzerten, als wäre die Sonne selbst in diesem Bau eingefangen – das Licht reichte immerhin aus, um die Zeichnungen an der niedrigen Decke zu enthüllen sowie zurückgelassene Knochen und Asche auf dem Boden.
    Hastig schaute sie weg. Sie konnte sich nicht auf Watpipa verlassen – sie musste selbst die Flucht ergreifen. Außerdem musste sie Ruhe bewahren und überlegen, was zu tun war, sonst würde sie hier sterben, zwischen den Überresten der Toten und den bösen Geistern, die hier hausten. Anabarru sah ihrem Peiniger ins Gesicht, als er in sie eindrang und sie verletzte. Sie konnte nur dann entkommen, wenn er tot war. Dazu aber musste sie eine Waffe finden.
    Sie begann mit den Fingern zu tasten. Schaudernd berührte sie verwesende Fleischreste. Zerbrochene Zweige und verdorrtes Laub bedeckten den Höhlenboden, doch das waren keine Mordwerkzeuge. Sie war schon der Verzweiflung nahe, als ihre Finger etwas Hartes, Raues und Kaltes berührten.
    Sie spürte den schneller werdenden Rhythmus seiner Wollust, während sich ihre Hand über dem Stein schloss. Bald wäre er fertig. Sie musste sich beeilen.
    Der Felsbrocken füllte ihre ganze Hand aus. Sie packte ihn fest, holte

Weitere Kostenlose Bücher