Träume jenseits des Meeres: Roman
einmal tief Luft, sammelte all ihre Kraft und knallte den Stein mit voller Wucht an seine Schläfe.
Er grunzte, erstarrte in ihr, die Augen vor Schreck verdreht.
Anabarrus Herz pochte, und der Schweiß raubte ihr beinahe die Sicht, als sie merkte, dass sie ihn nur betäubt hatte. Sie packte den Brocken noch fester und schlug erneut zu – die Angst verlieh ihr die Kraft eines Mannes. Der Stein drang durch Fleisch und Knochen und hinterließ an der Seite des Kopfes ein faustgroßes Loch.
Sie hielt die Luft an, während er auf ihr liegen blieb. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Sie wollte ihn noch einmal schlagen, doch schließlich sackte er zusammen und begrub sie unter seinem Gewicht. Sein letzter stinkender Atemzug streifte ihr Gesicht. Dann lag er still.
Anabarru schob ihn von sich und rückte von ihm ab, den Stein noch immer erhoben, bereit, zuzuschlagen. Ihr schluchzender Atem war das einzige Geräusch in der Höhle. Sie entfernte sich rückwärts, den Halt der festen Wände und der Dunkelheit suchend. Der ganze Körper tat ihr weh, und ihr Magen rebellierte am Ende doch, den Mann aber ließ sie nicht aus den Augen, um mögliche Lebenszeichen nicht zu übersehen. Sie musste sicher sein, dass er ihr nicht folgen würde, denn sie wäre zu schwach, um davonzulaufen.
Es dauerte lange, bis sie den Mut aufbrachte, sich ihm noch einmal zu nähern und ihn mit dem Fuß anzustoßen. Er rührte sich nicht, und seine Augen blieben geschlossen. Aus der Kopfwunde rann Blut, lief über sein hässliches, vernarbtes Gesicht und bildete eine Lache auf dem Höhlenboden.
Mit dem Felsbrocken in der Hand taumelte sie aus der Höhle in die blendende Hitze des Tages. Sie rutschte und glitt über den Ausbiss hinunter, erreichte den Talboden und brach im Gras zusammen. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr Kopf mit Federn gefüllt; ihr Mund war ausgetrocknet. Seit dem Vortag hatte sie nichts getrunken, und ihre Ohren dröhnten noch von dem Schlag, den er ihr versetzt hatte. Sie schaute auf ihre Beine, die zitterten, und bemerkte angetrocknetes Blut auf ihnen. Sie war am ganzen Körper mit Blutspritzern übersät und schauderte angewidert, als ihr klar wurde, dass es sein Blut war.
Stöhnend richtete Anabarru sich auf. Alles tat ihr weh, und sie hatte nur den einen Wunsch, sich einzurollen und zu schlafen. Doch sie war noch im Land der Lizards – also immer noch in Gefahr – und ihre Flucht hatte Vorrang. Sie packte den Felsbrocken, der zum Symbol ihrer Freiheit geworden war, und humpelte durch das Gras, bis sie die vorläufige Sicherheit der Bäume erreichte.
Es war leicht, seinen Weg zwischen den Bäumen zurückzuverfolgen. Nachdem sie der Spur meilenweit durch dichtes Unterholz gefolgt war, sank sie schließlich neben einem Bach auf die Knie und trank in langen Zügen. Sie pflückte ein breites, flaches Blatt von einem Busch und begann sich zu säubern. Als ihre Schnitte und Schürfwunden mit dem heilenden Saft in Berührung kamen, zuckte sie zusammen. Bei dem Gedanken, dass sie womöglich seinen Samen in sich trug, wurde ihr übel, und sobald sie ihre Wunden behandelt hatte und seinen Geruch losgeworden war, suchte sie nach den speziellen Pflanzen, die eine Monatsblutung auslösten und jedes neue Leben in ihr abtöten würden.
Das hatte länger gedauert, als sie erwartet hatte, und da sie wusste, dass man sie jeden Augenblick entdecken konnte, achtete sie wachsam auf jeden ungewohnten Laut im Busch. Sie orientierte sich weiter nach Osten und humpelte auf ihr Land und die Familie zu, die im Pfad der aufgehenden Sonne ihr Lager aufgeschlagen hatte.
Das gelbe Glitzern, das in dem Felsbrocken funkelte und seine raue Oberfläche wie Adern durchzog, bemerkte sie nicht – und selbst wenn sie es bemerkt hätte, dann hätte sie nicht gewusst, was das war, geschweige denn seinen Wert ermessen. Für Anabarru war es der Stein, der ihr das Leben gerettet hatte – und nicht ein riesiges Goldnugget, das Tod und Vernichtung über künftige Generationen ihres Volkes bringen würde.
Endlich taumelte Anabarru aus dem Wald hervor und erreichte die Sicherheit der Jagdgründe ihres Stammes. Das hohe Gras war angenehm kühl vom nächtlichen Tau, doch als die Sonne aufging, spürte sie die Hitze wie Hammerschläge, bis ihr Kopf zu platzen drohte und sie die Umgebung nur noch verschwommen wahrnahm. Sie war noch weit vom Lager entfernt und konnte nicht weitergehen. Den Felsbrocken umklammernd, kroch sie in den Schutz eines überhängenden
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