Träume jenseits des Meeres: Roman
auf der Hüfte. Sie summte leise vor sich hin, in Gedanken mit ihren Plänen für Tahamma beschäftigt. Er war ein stämmiges Kind, und obwohl er erst sieben Monate alt war, leuchtete Neugier in seinen Augen, und in der Art, wie er seine Umgebung beobachtete, lag eine fast herrische Vornehmheit. Er hatte schnell auf Stimmen, Farben und das Flattern der Vögel reagiert und gluckste fröhlich, wenn sie ihm etwas vorsang. Sie lächelte und stemmte sich den Korb fester auf die Hüfte. Tahamma schien der Einzige, der ihren Gesang zu schätzen wusste – ihre eigenen Kinder und Enkel hielten sich die Ohren zu.
Sie stellte den Korb am Eingang zur Hütte ab und duckte sich, um in die kühle Dunkelheit zu treten. Tahamma hatte geschlafen, als sie fischen ging, doch inzwischen würde er auf seine Milch warten.
»Wo warst du?« Die feste Stimme kam aus den tiefsten Schatten in der Ecke.
Tahani blieb das Herz stehen. Pruhana, ihr Mann, hatte wieder Rum getrunken. »Fischen«, antwortete sie ruhig. Sie wollte sich gerade dem Kleinen zuwenden, der in seinem Binsenkorb gluckste, als die Stimme ihres Mannes ihr Einhalt gebot.
»Wo hast du das gefunden?« Er hielt ihr die Uhr vor die Nase.
»Lianni«, flüsterte sie. »Sie hat Lianni gehört.«
Er drehte die Uhr hin und her, so dass sie das Sonnenlicht einfing. In seinen Augen blitzte Gier auf. »Sie hat jetzt keine Verwendung mehr dafür.«
Tahani versuchte danach zu greifen, aber er hielt sie außer ihrer Reichweite. »Sie gehört mir«, sagte sie bestimmt. »Lianni hat sie mir gegeben, damit ich sie für Tahamma aufhebe.«
»Was will ein kleines Kind mit solchen Sachen?«, feixte er. Pruhana kam mühsam auf die Beine und schwankte kurz bei dem Versuch, auf einen Punkt zu schauen. Er war groß und breit gebaut und konnte sich überraschend schnell bewegen, wenn er nüchtern war. Er war launisch, was sich besonders dann zeigte, wenn er Rum getrunken hatte, und Tahani wusste, dass sie alle Tricks aufbringen musste, um seinen Fäusten zu entgehen und wieder in den Besitz der Uhr zu gelangen.
»Es ist ein Erbstück«, erwiderte sie so ruhig wie möglich. »Ich habe Lianni kurz vor ihrem Tod versprochen …« Der Schlag traf sie so hart, dass sie quer durch die Hütte flog und auf dem Boden landete, noch ehe ihr bewusst wurde, was geschehen war.
»Sie gehört jetzt mir!«, rief ihr Mann. »Mir! Verstehst du, Weib?«
Tahamma schrie, und Tahani war schwindelig von dem Schlag, doch sie kam taumelnd auf die Beine und warf sich mit ausgefahrenen Krallen auf ihren Mann. »Sie gehört nicht dir!«, schrie sie und zielte auf seine Augen. »Gib sie wieder her.« Sie schlug mit ihren kleinen Fäusten auf seine breite Brust und trat ihn gegen die Schienbeine. »Ich habe es Lianni hoch und heilig versprochen«, keuchte sie. »Du darfst sie nicht behalten!«
Pruhana wehrte ihren Angriff wie einen lästigen Fliegenschwarm ab. Er packte ein Haarbüschel und zog ihren Kopf so weit nach hinten, dass sie auf die Knie sank. »Du solltest nichts vor mir verbergen, Tahani«, lallte er. »Und Versprechen machen dich nicht satt und verschaffen mir keinen Rum.« Er stieß sie von sich. »Die Seeleute werden mich gut dafür bezahlen.«
Tahani wusste, dass sie die Uhr nie wiedersehen würde, wenn er die Hütte verließ. Sie kroch über den Boden, fand einen Kochtopf und schlug ihm damit auf den Kopf, ohne an die Folgen zu denken.
Pruhana schwankte einen Augenblick, doch seine stämmigen Beine blieben fest am Boden verankert. Er drehte sich um, das Feuer der Wut glomm in seinen Augen auf, als er bedrohlich auf sie zukam.
Tahanis Schrei zerriss die Luft; sie trat rückwärts an die Graswand und merkte, dass sie in der Falle saß. Er begann auf sie einzudreschen, und sie kauerte auf dem Boden, während er sie mit Fäusten und Füßen malträtierte. Ihre Schreie verstummten, und die Welt verwandelte sich in einen dunklen Abgrund aus Schmerz.
Dann war es plötzlich vorbei. Ängstlich schaute sie auf und weinte vor Erleichterung, als sie sah, dass ihre Brüder ihr zu Hilfe gekommen waren. Der bullige Pruhana hatte den vier starken Armen, die ihn festhielten, nichts entgegenzusetzen.
Mühsam erhob sie sich, und trotz der Schwellung über den Augen und der Wunde im Mundwinkel galt ihr erster Gedanke Tahamma. Sie hob ihn aus dem Binsenkorb und erklärte ihren Brüdern, was es mit ihrem Versprechen an Lianni auf sich hatte und dass Pruhana die Uhr gestohlen habe.
Die Brüder entwanden Pruhana die Uhr
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