Träume jenseits des Meeres: Roman
wanderte zu Jonathan. Er beobachtete sie.
»Manchmal hat das Leben es so an sich, dass es die stärksten Überzeugungen umwirft«, murmelte Ann.
Susan hörte sie nicht. Jonathan war aus dem Gedränge um Gilbert herausgetreten und ging nun auf den ummauerten Garten zu. Er schaute kurz über die Schulter, begegnete ihrem Blick und bog um eine Ecke.
»Ich muss Gilbert zu seiner Rede gratulieren«, sagte Ann. »Kommst du mit?«
Susan schüttelte den Kopf. »Ich muss nach George sehen. Es ist Zeit, dass er sich wieder zur Party gesellen darf.«
Sie eilte auf das Haus zu, bevor Ann weitere Fragen stellen konnte; sobald sie George nach unten gescheucht hatte, schlängelte sie sich behände durch den Gemüsegarten und schlüpfte durch die Seitentür in den überwucherten ummauerten Garten. Man würde sie zunächst nicht vermissen, und sie musste ihn sehen – musste die Fragen stellen, die sie in all den Jahren gequält hatten, und versuchen, mit seinem plötzlichen Erscheinen fertig zu werden.
Im Schatten eines alten Pflaumenbaums wartete er auf sie. »Susan. Wie lange ist es her!«
Es wäre ein Leichtes gewesen, in seine Arme zu fliegen, doch ein gewisser Zug in seiner Miene hielt sie davon ab. »Zu lange«, sagte sie ruhig und verschlang ihn mit Blicken. »Warum bist du nicht wie versprochen zu mir zurückgekommen?«
»Bin ich doch«, protestierte er. »Aber als ich ankam, sagte mir meine Mutter, du habest Ezra Collinson geheiratet. Du hättest nur noch acht Tage länger warten müssen, dann wäre ich bei dir gewesen. Ich habe mich wohl getäuscht, als ich deinen Versprechungen glaubte!«
»Wie kannst du es wagen?« Das Verlangen, ihn an sich zu drücken, wich der Wut. »Ich habe drei Jahre gewartet, ohne ein Zeichen von dir, dass du deine Worte ernst gemeint hast.«
»Ich hätte wohl kaum mitten in der Tasmanischen See einen Brief aufgeben können«, entgegnete er. »Du hättest mir eben vertrauen sollen.«
»Drei Jahre«, wiederholte sie. »Obwohl nur zwei angesetzt waren – was hast du von mir erwartet, Jonathan? Sollte ich herumsitzen und warten, während du den Seemann gespielt hast?«
»Natürlich nicht«, sagte er. »Aber drei Jahre sind nichts, wenn man bedenkt, dass wir ein Leben lang miteinander verbracht hätten.« Er ging einen Schritt auf sie zu. »Ich hatte die ehrliche Absicht, dich zu heiraten, Susan, aber du konntest einfach nicht warten. Und wieso ausgerechnet Ezra?« Er atmete tief durch; offensichtlich fiel es ihm schwer, die Ruhe zu bewahren. »Ich habe dir vertraut – und du hast mir das Herz gebrochen.«
»Allzu viel Schaden habe ich ja anscheinend nicht angerichtet«, gab sie zurück, nicht bereit, die Qual in seinen Augen zu sehen. »Schon ein paar Monate später warst du mit Emily verheiratet.«
Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, und Susan sah ihm an, dass er innerlich zu kämpfen hatte, als er ihr von der Einmischung seiner Mutter in Bezug auf die vereinbarte Heirat erzählte. »Mir blieb nichts anderes übrig«, sagte er. »Mutter hatte bereits den Plan, mich zu verheiraten, bevor ich nach Tahiti fuhr, und mir klipp und klar gesagt, sie erwarte von mir, dass ich zustimme, sobald ich wieder da wäre. Deshalb war ich wild entschlossen, dich zu heiraten, bevor ich an eine Frau gekettet wäre, die ich nicht liebte. Deine Heirat mit Collinson jedoch hat alles ruiniert, und ohne dich war mir einerlei, was mit mir passierte.« Er war noch immer wütend, als er auf sie herabsah. »Ich bin mir sicher, es wird dich freuen zu erfahren, dass es keine glückliche Verbindung ist.«
Sie sah ihm an, wie unglücklich er war, und nachdem sie Emily kennengelernt hatte, verstand sie auch, warum. »Es tut mir leid, das zu hören, Jon«, murmelte sie. »Aber es sieht ganz so aus, als wären wir beide Opfer der Ränke deiner Mutter.« Er runzelte die Stirn, und sie fuhr hastig fort, ihm vom Tod ihres Vaters und ihrer Brüder und die Gründe für ihre Heirat zu erzählen.
Jonathan ballte die Fäuste, er wurde kreidebleich. Er atmete tief ein und machte seiner Wut und Enttäuschung mit lautem Stöhnen Luft. »Du lieber Himmel, ich bedaure so, dass ich nicht hier war, um dich zu beschützen.«
Sie wich vor ihm zurück und dachte an die vielen Stunden, die sie aufs Meer hinausgeschaut hatte – an die Gebete, in denen sie um seine rechtzeitige Rückkehr gefleht hatte, und an die Einsicht zuletzt auf den Stufen der Kirche, dass er für sie verloren war. Schließlich schaute sie zu ihm
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