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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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auf, ihre Wut war restlos verraucht, das Herz war ihr schwer und sie war traurig darüber, dass das Schicksal ihnen so übel mitgespielt hatte. »Wieso bist du denn so lange weggeblieben?«
    »Wir sind viel weiter nach Süden gefahren als geplant und in eine Reihe übler Stürme geraten.« Er erzählte ihr von den langen Irrfahrten um Neuseeland herum, von der erfolgreichen Suche nach Australien, vom Alptraum in Batavia und der anschließenden Heimfahrt. »Es waren keine anderen Schiffe da, die unsere Briefe hätten mitnehmen können – ich hatte keine Möglichkeit, dir eine Nachricht zukommen zu lassen. Aber ich habe die ganze Zeit an dich gedacht, Susan. Du warst stets in meinem Herzen.«
    Am liebsten hätte sie geweint, doch Tränen konnten den entstandenen Schaden nicht beheben. »Ach, Jonathan«, flüsterte sie. »Dein Korallenriff hat dich ebenso eingefangen wie mich. Jetzt ist es für uns beide zu spät.«
    Er nahm ihre Hände in seine, und sie ließ es zu. »Als ich dich heute sah, war mir klar, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben«, sagte er zärtlich. »Dir geht es genauso, das sehe ich doch.«
    Die Geräusche der Party rückten in weite Ferne. Sie wollte ihn küssen, seine Umarmung wieder spüren – doch sie wusste, sie durfte das nicht riskieren. Sie musste stark sein. »Ja«, gestand sie leise ein. »Aber damit muss auch Schluss sein.«
    »Aber warum denn, wenn wir uns doch lieben?« Er zog sie näher an sich heran, das Gesicht schmerzhaft verzogen.
    »Weil ich Ezra und den Kindern gegenüber eine Verpflichtung habe, und ich will sie nicht verletzen – und weil … weil es zu spät ist.«
    Er hob ihre Hände an die Lippen. »Können wir wenigstens Freunde sein?«
    Sie vernahm die Sehnsucht in seiner Stimme und wollte ihn trösten, doch das kleinste Anzeichen von Schwäche in diesem Augenblick würde das Ende ihrer guten Absichten bedeuten. »Ja, Freunde immer«, murmelte sie.
    Auf dem Gefangenenschiff Dunkirk, Plymouth, 1786
    Billy sah sein Spiegelbild im ruhigen dunklen Wasser, das ihm fast bis an die Taille reichte, und fragte sich im ersten Moment, wen er da vor sich hatte. Der junge Mann, den er im Gedächtnis hatte, besaß mit diesem, auf den er da starrte, nicht die geringste Ähnlichkeit. Verblüfft fuhr er sich mit den rauen Händen über den wuchernden Bart und die langen Haare. Billy Penhalligan war stets eine gepflegte, aufrechte Erscheinung gewesen, stolz auf sein gutes Aussehen und die feine Kleidung, die ihm der Schmuggel eingebracht hatte. Diese Kreatur aber war ungekämmt und trug schmutzige Lumpen, die Augen gehörten einem Mann, der die Welt betrachtet und das schlimmste Übel gesehen hatte. Es waren leblose Kugeln im hageren Gesicht eines Mannes, der viel älter war als neunundzwanzig.
    »Beweg deinen Arsch, du kornischer Schweinehund, sonst lass ich dich wieder auspeitschen.«
    Billy tauchte aus seinen Gedanken auf und griff nach dem schweren Rammklotz. Er hob ihn hoch über den Kopf, ließ ihn auf den Pfahl krachen und wünschte sich gleichzeitig, es wäre der Kopf des Wärters, den er in den Schlamm trieb. Der Mann drangsalierte ihn ohne Ende und schien nichts lieber zu mögen, als Peitschenhiebe auszuteilen.
    »So ist’s recht, mein Junge. Nur noch zwanzig, dann kannst du dich ausruhen.« Alfred Mullins lachte humorlos auf und ging weiter.
    Billy holte weiter mit dem Rammklotz aus und warf dem Wärter nur einen kurzen Blick nach. »Ich würde ihm gern mal eine Lektion erteilen«, raunte er Stan zu, der neben ihm arbeitete.
    Stanley Irwin kam aus Norfolk und war aus dem Schwurgericht mit einem Todesurteil hervorgegangen, das in Deportation umgewandelt worden war. Er hatte Frau und Kind an Bord der Dunkirk . Sie stammten aus seiner Zeit im Kerker von Norwich Castle. Sein Gesundheitszustand ließ zu wünschen übrig, und er war so oft ausgepeitscht worden, dass seine frühere Streitlust verschwunden war. »So eine Gelegenheit wäre eine feine Sache«, nuschelte er. »Aber halt den Kopf nach unten, Bill. Sitz deine Strafe ab und komm raus.«
    Billy arbeitete weiter, seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte noch weitere zehn Jahre vor sich, und es gab Zeiten, in denen er sich wünschte, man hätte ihn zusammen mit den anderen vor dem Kerker in Bodmin gehängt. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Der einzige Lichtpunkt in seinem Leben war Nell, eine junge Hure aus London, die vor ein paar Wochen an Bord gekommen war. Sie hatte rotes Haar und das entsprechende

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