Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
spricht „Der Junge ist so schuldig, wie dieser Hahn hier tot ist“. In diesem Moment erhebt sich das gerupfte Huhn und flattert davon. Seitdem wird in der Kirche ständig ein Hahn gehalten. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass die Spanier tatsächlich ein lebendiges Huhn in ihrer Kirche haben, gehe ich von einer Bronzeskulptur oder etwas ähnlichem aus. Umso mehr erschrecke ich, als bei meinem Betreten plötzlich ein Hahn kräftig zu krähen anfängt. Vollkommen irritiert muss ich anfangen zu lachen und erblicke tatsächlich in einem Käfig im Inneren der Kathedrale einen lebendigen Hahn. Na, damit hab ich wirklich nicht gerechnet und dass das Vieh mich auch noch mit Glück segnet, ist die Krönung. Freudig verlasse ich das Gotteshaus wieder und frage mich, in welcher Form das Glück mir auf der Reise wohl begegnen wird, denn eigentlich bin ich bereits restlos glücklich.
Vor der Kirche stehen 2 Mädels und gucken mich lächelnd an. Diese Situation kommt mir bekannt vor. Ich muss sofort an die Dänin aus Viana denken. Genau wie dort überlege ich nun auch hier, ob ich diese beiden jungen Damen irgendwoher kennen sollte, bin aber der festen Überzeugung, dass ich auch diese noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe, geschweige denn mit ihnen geredet habe. Kaum beende ich diesen Gedanken, stehen die beiden auch schon kichernd vor mir und drängen mir ein Gespräch auf. Mein nächster Gedanke ist: „Soll das der glückliche Segen sein, den ich vom Hahn erhalten habe?“ Da ich jedoch grade weder an einer Konversation noch an den beiden netten Mädels interessiert bin, muss das Glück wohl anderen Ortes auf mich warten. Sie erzählen mir, dass sie mich gestern bereits gesehen haben und heute hier in Santo Domingo nächtigen werden. Die beiden sind außerordentlich nett und ich will auch nicht zu eingebildet sein, um dies als Anmache aufzufassen, aber ein wenig merkwürdig erscheint mir diese Situation schon. Ohne groß drum herum zu reden, wünsche ich den beiden noch einen schönen Aufenthalt und entschuldige meinen Rückzug damit, dass ich grade ein wenig Tagebuch schreiben wollte und man sich bestimmt später auf dem Weg wieder trifft. Nichts für ungut, aber ich bin und bleibe nun mal ein Einzelgänger und lege nur selten Wert auf Gesellschaft. Das mit den Tagebuchaufzeichnungen war übrigens nicht gelogen. Wenn ich etwas vorhabe, dann lasse ich mir nur ungern dazwischen reden und mich davon abbringen. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre ich eventuell auf die Konversation eingegangen. Ich setze mich wieder an meinen Platz an der Plaza und schreibe ein wenig. Danach beschließe ich, das letzte Stück bis nach Grañón zu laufen, habe nämlich vor, dort zu nächtigen. In Grañón gibt es eine Herberge namens San Juan Bautista im Dach der Kirche. Sie wurde mir bereits in Pamplona von der dortigen Hospitalera empfohlen und gilt als eine der gemütlichsten und stimmungsreichsten Herbergen auf dem Camino. Als ich wenig später gegen 14 Uhr in Grañón ankomme, bin ich absolut begeistert von der Atmosphäre, verspüre aber dennoch einen starken Drang, heute noch ein wenig mehr zu laufen. Keine Ahnung, woher ich die Energie nehme. Nach einigem hin und her beschließe ich, meinen Weg fortzusetzen. Während ich dann wieder unterwegs bin, ärgere ich mich über meine Kopfentscheidung. Hatte mich seit Pamplona auf diese Herberge gefreut und mich sehr wohl gefühlt, als ich sie betreten habe. Wieso bleibe ich dann nicht einfach da? Ich habe doch jede Menge Zeit, ich kann auch morgen weiter laufen, das muss doch nicht heute sein. Außerdem, je mehr ich am Tag laufe, umso schneller bin ich letzten Endes am Ziel. Ich will aber gar nicht ankommen, denn das, was mir Freude bereitet, ist das Laufen, ist der Weg zum Ziel.
Statt mich jedoch weiter zu ärgern, freue ich mich über diese Erkenntnis, die ich nur machen konnte, da ich nicht in Grañón geblieben bin und sehe nun wieder das Positive in meiner Entscheidung. Außerdem überlege ich, dass ich nach Ankunft meiner Reise noch mal zurück fahren könnte, um den Navarrischen Weg bis Puente la Reina zu gehen.
Gegen 15:30 Uhr packt mich der Hunger und ich mache eine kleine Pause, um meine zuvor erworbenen Tintenfische aus der Dose zu plündern. Schmecken ganz gut, aber nach dem dritten oder vierten wird mir der Geschmack dann doch zu intensiv, so dass ich Nummer Fünf für die Katzen zurücklasse. Keine Minute vergeht, da taucht die erste Katze auch schon auf, als hätte sie
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