Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
umständlich ihren Schlafsack in den Rucksack stopfen, kann auch ich nicht mehr einschlafen und schließe mich der Kettenreaktion an. Seltsamerweise bin ich in weniger als 5 Minuten startklar an der Tür und brauche nur noch meine Schuhe anzuziehen. Ich frage mich wirklich, was die Leute da alles packen und sortieren müssen. Um kurz vor 6 Uhr verlasse ich bereits die Herberge und steuere mehr oder weniger schlafwandelnd Burgos an. Habe zwar nicht vor, heute schon bis nach Burgos zu laufen, aber man weiß ja nie, was mir spontan einfällt. Ab Burgos bin ich dann wieder auf bekanntem Terrain, denn 2007 bin ich von dort aus nach Santiago los gelaufen. Als ich Belorado 5 min später verlasse, passiere ich den „idealen Campingplatz“ meiner Vorstellung. Hätte ich das gestern gewusst...
Es ist alles klitschnass und der Weg ist entweder eine riesen Pfütze oder einfach nur ein Schlammloch. Hat also wirklich gestern Nacht ordentlich gewittert. Ich versuche, ein wenig abseits des Weges zu laufen, aber am Rande der Weizenfelder ist das Wandern auch nicht wirklich angenehmer. Nach 3 Stunden erreiche ich Villafranca, das neue Ziel meiner heutigen Etappe. Meine Achillessehne hat sich gemeldet und deutet mir durch einen dezenten Schmerz an, dass sie auf der Rückseite meines Fußes tatsächlich existiert. Da die Achillessehne zu einem der häufigsten Gründe gehört, weshalb Pilger ihre Reise abbrechen müssen, gehe ich kein Risiko ein und beschließe, es für heute bei den knapp 15 km zu belassen. Das vor mir liegende Stück geht auf 1120m hoch und dauert etwa 3-4 Stunden, bis man den nächsten Ort San Juan de Ortega erreicht. Keine Lust, mich voller Schmerzen über diesen Höhenpass zu schleppen und mir wohlmöglich noch eine ernsthafte Entzündung oder gar einen Riss zuzuziehen. Also steuere ich die Herberge an und stehe morgens um 9 Uhr an der Rezeption, während die letzten Pilger noch vor der Herberge sitzen und sich ihre Schuhe binden. Die müssen mich echt für bekloppt halten, wieder mal einer dieser Frühsportler. Auch die Herbergsmutter schaut mich skeptisch an, also erkläre ich ihr schleunigst, dass ich Schmerzen habe und nicht weiter laufen kann. Sie bittet mich, noch kurz draußen zu warten bis sie sauber gemacht hat, nimmt mir aber schon mal meine Sachen ab und sagt mir, es dauert nur ein paar Minuten. Sie lässt mich wirklich nicht lange warten. Nachdem sie den Eingang gewischt hat, darf ich bereits eintreten und es mir auf einem der Betten gemütlich machen, während sie noch die Räume feudelt. Ich schlafe sofort ein und wache erst am Nachmittag gegen 13 Uhr wieder auf. Meine Achillessehne ist immer noch gereizt und so humpele ich langsam zur Dusche. Als ich mir im Bad die Zähne putze, stelle ich fest, dass mir ein Stück von meinem Backenzahn abgebrochen ist. So ein Mist! Da ich keine Schmerzen habe, kümmere ich mich jedoch erst einmal nicht weiter darum. Draußen regnet es und der Himmel lässt keinen einzigen Sonnenstrahl durch die dichte Wolkendecke. Schönes kaltes Wetter, das so richtig unter die Haut geht. Ein Glück, dass ich hier drin im Trockenen sitze und nun eine lange heiße Dusche nehmen kann. Danach werde ich alle meine Sachen mal in Ruhe waschen und mir in der Küche was Richtiges zu essen kochen. Genau so handhabe ich es auch und den Rest des Tages verbringe ich damit, Hörbücher zu hören, auf dem Bett rumzuliegen und gelegentlich mal für ein paar Minuten einzuschlafen.
20.06.09, Samstag — Villafranca nach Burgos
5:30 Uhr Morgenapell wie immer, wenn ich nicht im Zelt schlafe. Ich bleibe noch kurz liegen, bevor ich aufstehe und bin dann wieder der Erste, der startklar ist. Wieder frage ich mich: „Was um alles in der Welt müssen die so lange packen?“
Gleich zum Start geht’s steil bergauf. Wusste zwar schon, dass ich heute auf über 1000m hoch muss, aber den Anstieg hätte man ja ein wenig verteilen können. Was soll’s, muss ich wohl durch oder besser gesagt hoch. Oben angekommen, werde ich sogleich belohnt und befinde mich auf einem wunderschönen Abschnitt des Caminos. Meiner Meinung nach einer der schönsten Abschnitte, auch wenn es nur ca. 10-15 km sind. Ein kleiner, etwa 2 Meter breiter Wanderweg führt mich durch einen traumhaft schönen Märchenwald, bewachsen mit moosbedeckten alten Eichenbäumen, Gräsern und Farnen, umhüllt von Nebel mit gelegentlichem Blick in tief unter mir gelegene Täler. Beim Anblick dieser Natur entsteht zum ersten Mal eine Antwort auf die
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