Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
eine Konversation, ist meiner Meinung nach noch viel zu früh, denn grade morgens, wenn ich die ersten Kilometer laufe, habe ich gerne meine Ruhe. Es nützt nichts, ich werde von seiner Logorrhoe überflutet. Binnen weniger Sekunden erfahre ich, dass er 20 Jahre alt ist und Medizin studieren will. Danach habe ich ehrlich gesagt aufgehört, ihm zuzuhören. Während er auf mich einredet, beginnt er mit einem irrsinnigen Rechtsdrang, mir immer wieder in die Füße zu laufen. Da er mir eindeutig zu nah auf die Pelle rückt, versuche ich, mich erfolglos mit meinem Stock zu verteidigen und diesen so gut wie nur irgend möglich als Hindernis zwischen uns aufzubauen. Trotzdem findet er immer noch einen Weg an ihm vorbei und sitzt mir schon wieder förmlich aufm Schoß. Irgendwann wird es mir zu viel. Da er schon meine Andeutungen, dass ich gerne alleine laufen möchte, nicht verstanden hat, sage ich ihm klipp und klar: „Dennis, du latschst mir ständig vor die Füße und kommst mir eindeutig zu nah in meinen benötigten Freiraum. Kannste nicht grade aus laufen oder was is’ los mit dir?“
Ich scheine nicht der erste zu sein, der ihn darauf hinweist. Mit einem Nicken macht er mir deutlich, dass meine Botschaft angekommen ist. Da alle meine Versuche, ihn loszuwerden, gescheitert sind, akzeptiere ich seine Gesellschaft und beginne, auf seine Erzählungen einzugehen. Nach einer ganzen Weile wird’s sogar ganz unterhaltsam. Da er durchaus ein netter, sympathischer Kerl ist, der, wie ich feststelle, auch noch ganz schön was in seiner Birne hat, werden die Unterhaltungen durchaus akzeptabel für einen Einzelgänger, der eigentlich seine Ruhe haben wollte. Nach einer geraumen Zeit durchqueren wir eines der unzähligen Dörfchen, wo er auf alte bekannte Gesichter stößt und sich natürlich auch gleich festquatscht. Ich nutze den günstigen Moment, um mich zu verabschieden und schleunigst weiter zu laufen. Hat super funktioniert. Endlich wieder meine Ruhe, welch Wohltat.
Es geht schon den ganzen Tag nur durch endlos weite Felder über eine gemütlich breite Staubstraße. Von einigen Punkten aus hat man einen weiten Blick. Schaut man von oben auf die Felder, lässt sich ein beeindruckendes Schauspiel beobachten: Der Wind, der die Gräser hin und her weht, erschafft förmlich ein Meer aus Feldern, soweit das Auge reicht. Ich bin total beeindruckt von dem optischen Spektakel und würde am liebsten ein Foto machen, nur wird man das da wohl kaum drauf sehen können. Beeindruckt schaue ich immer wieder auf die Felder und knalle voll auf die Schnauze, da ich mich in meinem linken Schnürsenkel mit meinem rechten Schuh verhake und ruckartig abbremse. Das Gewicht meines Rucksackes, der von der Bremsaktion nichts mitbekommen hat, tut dann sein Übriges und drückt mich der Gravitationstheorie zu Folge volle Kanne in den Dreck! Hans guck in die Luft, denke ich nur, als ich mich aus meinem selbst gemachten Lasso befreie und wieder aufrapple.
Danach guck ich mir die Wellen nur noch im Sitzen an und laufe sicherheitshalber breitbeinig, wie die ganzen coolen Rapper auf MTV das immer machen.
Sicher und unbeschadet erreiche ich am frühen Nachmittag Sambol. Der Ort ist absolut magisch und scheint wie eine kleine Oase in der Steppe das letzte Grün zu spenden. Ich lade mein Zeug ab und mache es mir draußen in der Sonne bequem. Nach und nach treffen noch ein paar weitere Pilger ein, so dass wir am Abend eine gemütliche Runde aus 6 Nationen bilden. Eine Gruppe Thailänder, bestehend aus einem Chinesen, einem Japaner und einen Koreaner sowie einen Franzosen und einen mir absolut unsympathischen Ami. Ach und zu guter Letzt natürlich ich. Die Thailänder sind ‘ne nette Truppe, die mir alle sehr gefallen und lustig drauf sind. Wie so üblich für die Landsleute, machen sie von allen Dingen Fotos. Vom Essen, vom Tisch, vom Tisch mit Essen, von der Kartoffel, von der Kerze auf dem Tisch, von der Kerze mit Feuer auf dem Tisch usw. ...
Der Franzose ist ziemlich durchgeknallt. Er versucht, mir den ganzen Abend zu erklären, dass er pro Tag 80-100 km läuft und den Camino seit 9 Jahren jedes Jahr geht. Habe das nach endlosen Wiederholungen vom Hospitalero übersetzt bekommen, nachdem ich dem Dauerläufer hundertmal erklärt habe: „Ich spreche kein Französisch.“ Er wollte aber nicht aufgeben und hat’s immer und immer wieder von vorne erklärt und einfach nur die Betonung leicht verändert. Am Ende konnte ich es fast auswendig. Ja, und Nummer
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