Traeume Suess, Mein Maedchen
hatte?
Jamie ging zu den Waschbecken, spritzte sich eine Hand voll kaltes Wasser ins Gesicht, zog ein braunes Papierhandtuch aus dem Halter und wischte sich die Tränen von der Wange und aus den Augen. Dann strich sie ihr Haar zurück und atmete tief durch. Ihr Martyrium war noch lange nicht vorüber. Sie hatte eine potenziell gefährliche Begegnung überstanden, um sich gleich mit der nächsten konfrontiert zu
sehen, diesmal mit jemandem, der noch furchteinflößender war als ein geistesgestörter Fremder - mit ihrer Schwester. Jamie fragte sich, ob sie dafür bereit war, als sie die Außentür aufzog.
Er stand direkt vor der Tür, seine schwarzen Lumpen flatterten wie eine Blende vor der Sonne, und sein Gesicht lag im Schatten. Er hatte eine lange Nase, der Mund verschwand in einem formlosen ungepflegten Bart, und seine dunklen Augen starrten ins Leere. Die Augen eines Irren, dachte Jamie und hörte, wie ein Schrei die Luft zerriss. Ihr Schrei, wie ihr in diesem Moment bewusst wurde.
»Lassen Sie mich in Ruhe!«, rief sie mit neuen Tränen in den Augen. »Gehen Sie weg!«
Der Mann trat hastig den Rückzug an.
»Jamie. Alles in Ordnung«, versicherte eine Stimme ihr. »Dir ist nichts passiert. Alles okay.«
Jamie hörte auf zu weinen, wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, bevor sie sie ungläubig aufriss. »Brad?«
»Wer denn sonst?«
Jamie fuhr herum und blickte in mehrere Richtungen gleichzeitig. »Da war so ein Mann. Hast du ihn nicht gesehen?«
»Ich habe einen Bettler gesehen, der sich in die Büsche geschlagen hat. Warum? Was ist passiert? Hat er dir was getan?«
»Nein«, gab Jamie zu und brauchte einen Moment, bis sie wieder bei Atem war. »Er hat mir nur Angst gemacht.« Sie schilderte, was passiert war.
»Klingt so, als hättest du ihm einen noch größeren Schrecken eingejagt.« Brad schüttelte scheinbar verwundert den Kopf. »Du hättest nicht allein hierher kommen sollen. Warum hast du mich nicht gleich gerufen, als du ihn gesehen hast?«
»Ich habe dich gesucht. Wo warst du?«
»Ich hab gesehen, dass einer der Reifen ein bisschen wenig
Luft hatte. Und dann dachte ich mir, dass ich auch gleich selbst auf die Toilette gehen könnte. Und da war ich, als ich diesen grässlichen Lärm gehört habe …« Er verzog die Lippen zu einem durchtriebenen Lächeln. »Du bist schon ein ganz schön lebhaftes kleines Ding, was?«
War sie das, fragte sie sich. So hatte sie noch nie jemand genannt. Kopflos, ja. Stur, schon oft. Aber noch nie lebhaft.
»Lebhaft«, wiederholte Brad, drängte sie zurück in die Toilette und schloss die Tür hinter ihnen. »Und sehr sexy.« Er schob den großen grünen Mülleimer vor die Tür und blockierte damit Eingang wie Ausgang. »Sehr, sehr sexy.«
»Was machst du?«
»Was glaubst du denn, was ich mache?« Er zog sie an sich, drückte sie mit einer Hand an die Wand, während er mit der anderen den Reißverschluss an der Seite ihrer Shorts herunterzog. Im nächsten Moment hob er sie hoch und drang grob in sie ein.
Jamie schnappte nach Luft und konnte nicht glauben, wie schnell alles passierte. Im einen Moment war sie vollkommen verängstigt, im nächsten erleichtert und im übernächsten so erregt, dass sie kaum atmen konnte. Sie klammerte sich an Brads Schultern wie an ihr Leben, während er sie herumwirbelte und immer wieder hart in sie stieß. Einen Augenblick lang sah sie ihr eigenes Gesicht im Spiegel und konnte die Frau, die ihr entgegenblickte, kaum wiedererkennen, den Mund offen, den Kopf in wilder Selbstvergessenheit in den Nacken geworfen. Wer bist du, fragte Jamie sich. Und was machst du?
»Das ist alles deine Schuld«, sagte Brad später, nahm die Plastikblume aus der Flasche und steckte sie ihr hinters Ohr. »Du bist einfach so verdammt köstlich.«
Jamie folgte ihm mit gesenktem Kopf, wackeligen Beinen und weichen Knien aus der Toilette. Köstlich und lebhaft, wiederholte sie stolz für sich, als sie neben ihm zum Auto ging und bereitwillig alle Schuld auf sich nahm.
6
Ihre abgelehnte Geschichte ragte noch aus ihrer Einkaufstasche, als Lily exakt eine Minute vor zehn die dicke Doppelglastür zu Scully’s Fitnessstudio aufstieß. Das Studio lag in einer kleinen unauffälligen Einkaufspassage, die mit dem Bus nur ein kurzes Stück von der Mad River Road entfernt war. Lily begrüßte die tief gebräunte Frau hinter dem Empfangstresen mit einem breiten Lächeln und einem großen Café Latte.
»Du bist ein Schatz«, sagte
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