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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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gewesen, und ja, sie war genauso erschöpft. Es war nicht leicht als alleinerziehende Mutter, aber genau das war der Punkt: Sie war die Mutter und er das Kind. Sie war die Erwachsene von ihnen beiden, und sie konnte nicht jedes Mal, wenn Dylan sich danebenbenahm, die Fassung verlieren. Schließlich war es nicht seine, sondern ihre Entscheidung gewesen, Michael über Nacht einzuladen. Sie hatte Dylan dazu nicht befragt, seine Wünsche nicht berücksichtigt und sogar im tiefsten Innern gewusst, dass ihr Sohn sich der Idee widersetzen würde. Genauso wie sie wusste, dass sie ihn zu dem Kind machte, das er war, dass sie für seine Ängstlichkeit und seine Kontaktscheu verantwortlich war. Was hatte sie erwartet, wie er auf die Neuigkeit reagieren würde, dass sie aus einer Laune heraus, einem schlecht
beratenen Impuls folgend einen so gut wie Fremden in ihr Haus gebeten hatte? Und dabei spielte es keine Rolle, dass es bloß ein harmloser, fünfjähriger Junge war, der in dieselbe Vorschulklasse ging wie Dylan und ein Stück die Straße hinunter wohnte. Er war einer von den anderen und daher jemand, den man fürchten und letztendlich zurückweisen musste.
    Wie in einer von Lilys Geschichten, dachte Emma, als sie die Haustür öffnete und Lily mit ihrem Sohn lächelnd auf der Schwelle stehen sah. Lily trug ein dunkelblaues Sweatshirt und kein Make-up und hatte ihre Haare achtlos zu einem Pferdeschwanz gebunden, aus dem sich allenthalben blonde Strähnen gelöst hatten. Trotzdem strahlte ihr rundes Gesicht vor Freude, dass es einem beinahe den Atem verschlug. Emma verspürte ein Stechen der Eifersucht, als sie dachte, wie schön es wäre, an Lilys Stelle zu treten, und sei es nur für einen Abend. Sich tatsächlich auf etwas zu freuen - wie lange war es her, dass sie sich auf irgendwas gefreut hatte? Mit einem Mann zu Abend zu essen, der sie voller Begehren und nicht mit Verachtung ansah? Wenn nur mein Mann bei einem Motorradunfall gestorben wäre, dachte Emma, als sie Lily und ihren Sohn ins Haus bat. »Hi, ihr zwei. Kommt rein.«
    »Entschuldige das Sturmgeklingel«, sagte Lily. »Ich dachte, du hättest mich vielleicht nicht gehört. Und dann dachte ich, dass die Klingel nicht funktioniert, also hab ich natürlich immer weiter gedrückt. Sehr logisch, was?«
    »Ich war im Bad.«
    »Oh, tut mir Leid.«
    »Sei nicht albern.« Emma warf einen Blick zu dem kleinen Jungen, der direkt hinter seiner Mutter stand, in einer Hand eine kleine Reisetasche, in der anderen eine Kermit-Puppe. Sie unterdrückte den Impuls, sich hinabzubeugen und ihm einen schmatzenden Kuss auf seine runden roten Apfelbäckchen zu drücken. Waren alle Fünfjährigen so
wundervoll? Was zum Teufel geschah bloß mit ihnen, wenn sie erwachsen wurden? »Das muss Michael sein.«
    »Das ist Kermit.« Michael präsentierte Emma die große grüne Puppe.
    »Also, ich freue mich wirklich sehr, dich kennen zu lernen, Michael. Und Kermit auch.« Emma drehte sich zur Treppe um. »Dylan, Michael ist da!«
    Keine Antwort.
    »Er kommt bestimmt jeden Moment runter. Hast du Hunger?«, fragte Emma Michael.
    Michael nickte und stellte seine kleine Reisetasche auf den Boden.
    Emma fragte sich, ob er wirklich so engelsgleich war, wie er aussah, und hoffte gemeinerweise, dass es nicht so war. »Ich hoffe, du magst Makkaroni-Auflauf.«
    »Sein Lieblingsessen«, sagte Lily.
    »Meins auch«, gestand Emma.
    »Meins auch«, verkündete Dylan, der unvermutet auf dem oberen Treppenabsatz aufgetaucht war.
    Emma spürte, wie ihr das Herz weit wurde, als wollte es vor Liebe und Dankbarkeit zerspringen. »Dylan, Schätzchen, sieh mal, wer hier ist.«
    Dylan trotte ohne jeden Anmut die Treppe hinunter und hinterließ mit seinen Fingern einen klebrigen Streifen an der Wand. »Hi«, sagte er.
    »Und das ist Michaels Mutter, Mrs. Rogers.«
    »Du kannst mich Lily nennen.«
    »Ist das in Ordnung, Mommy?«, fragte Dylan.
    Emma wurde von einem derartig mächtigen Gefühl der Liebe übermannt, dass sie sich mit den Zehen fest an den Boden klammern musste, um nicht vornüber zu fallen. Ihr Sohn war das Beste, was ihr je geschehen war. Wie hatte sie so achtlos mit ihm sein können, so gemein, wie er es ihr zutreffend vorgeworfen hatte? Er war schließlich nur ein kleiner Junge, und sie hatte viel zu viel von ihm erwartet.
Es tut mir Leid, mein Schatz, erklärte sie ihm stumm. Verzeih mir. Ich verspreche, dass ich nie wieder die Hand gegen dich erheben werde. »Natürlich ist das in Ordnung,

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