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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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schlicht an Michael vorbeigegangen.
    »Cool«, hatte er bloß gesagt.
    »Cool«, hatte Dylan lachend erwidert.
    Jetzt nippte Emma an ihrem Wein und fragte sich, was sie an diesem Abend für ihr eigenes Gleichgewicht tun konnte. Sie könnte ein Buch lesen, dachte sie. Wenn sie eins hätte.

    Sie leerte ihr Glas und fragte sich, wie Lily sich schlug. »Auf das glückliche Paar«, sagte sie und wünschte, sie hätte den Fernseher nach unten gebracht, damit sie irgendeinen Zeitvertreib hatte. Sie konnte schließlich schlecht den ganzen Abend einfach dasitzen, Selbstgespräche führen und trinken. Oder? »Warum eigentlich nicht?«, fragte sie laut, streifte ihre Schuhe ab und versuchte, es sich auf dem braunen Sofa bequem zu machen. Ich gehöre nicht hierher, dachte sie, als sie die Augen schloss. Ich gehöre nicht in die Mad River Road.
    Hatte sie je irgendwo hingehört?
    Jedenfalls ganz bestimmt nicht in die Bishop Lane School für Mädchen, diese grässliche Bastion für die verwöhnten Töchter der Oberschicht, wo der Titel der Schönheitskönigin genauso begehrt war wie die Ehre, auf der Abschlussfeier die Abschiedsrede halten zu dürfen, was sie bei dem eitlen Geschnatter der blöden Gänse von Mitschülerinnen eigentlich nicht hätte überraschen sollen. Diese Rede hätte sie gehalten, wenn sie als Rednerin ausgewählt worden wäre. Aber vergiss es.
    Obwohl das erste Schuljahr so vielversprechend begonnen hatte. Jene ersten paar Monate, bevor irgendjemand erfahren hatte, wer sie wirklich war, bevor entdeckt wurde, dass sie ein Sozialfall war und ihre Mutter zum Personal gehörte. Die Hausmeistertochter, flüsterten sie in den Fluren, wenn sie vorbeiging, als ob es eine ansteckende Krankheit wäre.
    Sie hatte sich nur anpassen und so sein wollen wie die anderen Mädchen, aber wie konnte sie wie die anderen sein, wenn die alles hatten und sie gar nichts, wenn selbst die billigste Designerjeans weit jenseits ihrer Möglichkeiten lag? War es da wirklich so überraschend, dass sie begonnen hatte zu stehlen? Zunächst nur Kleinigkeiten. Einen Lippenstift hier, ein Fläschchen Nagellack dort. »Tolle Farbe«, hatte Sarah ihr am nächsten Tag in der Klasse ein Kompliment
gemacht, das erste Zeichen von Anerkennung, das sie seit Monaten von ihren Mitschülerinnen bekommen hatte. Allein dieser blasse Schimmer von Dazugehörigkeit hatte sie durch diesen Tag getragen und geholfen, zahlreiche weitere Zurückweisungen auszuhalten. Warum sollte sie sich also nicht zu einem Paar schicker Lederhandschuhe verhelfen, zumal die Verkäuferin auch noch so hochnäsig war? Und diese Sneaker? Waren das nicht genau die gleichen, mit denen Lucy Dixon so gut angekommen war? Und was war mit diesem Rock und dem Pulli? Sie sah gut darin aus und fühlte sich sogar noch besser. In diesen Kleidern war sie ein anderer Mensch. Sie würde es ihnen schon zeigen - die Hausmeistertochter war kein Sozialfall.
    Es barg schon eine gewisse Ironie in sich, dass sie, um dazuzugehören, Dinge hatte nehmen müssen, die ihr nicht gehörten, dachte Emma jetzt und erinnerte sich an den Kick, das Gefühl schierer Euphorie und Macht, das sie jedes Mal gespürt hatte, wenn sie ein Kleidungsstück in ihrer großen Tasche hatte verschwinden lassen.
    Sie erinnerte sich auch an die nachfolgende Qual, die Schuldgefühle und das Gelöbnis, damit aufzuhören.
    Aber sie hatte nicht aufgehört. Sie konnte es nicht, trotz aller guten Vorsätze. Und eines Tages wurde sie beim Verlassen von Neiman Marcus mit drei Miniröcken unter ihrer Schuluniform von einer Ladendetektivin aufgehalten, die ihren Gang durch den Laden beobachtet hatte. Man fand die drei Röcke, die zwei BHs, das Twinset aus Kaschmir und sogar die blöde Tube Feuchtigkeitscreme, die sie beim Hinausgehen als Muttertagsgeschenk für ihre Mutter eingesteckt hatte. Tolles Geschenk. Der Laden benachrichtigte ihre Schule, ihre Mutter und die Polizei, obwohl man letztendlich von einer Strafanzeige absah.
    Es war ihre erste Begegnung mit der Polizei. Aber nicht ihre letzte.
    Im darauffolgenden Jahr hatte sie eines Nachmittags die
Schule geschwänzt und sich in einen Saal des Großkinos geschlichen. Natürlich wurde sie erwischt, und das Kino rief, um ein Exempel zu statuieren, wieder ihre Schule an. Sie wurde für zwei Tage vom Unterricht suspendiert und verwarnt, dass jeder weitere Verstoß nicht mehr geduldet würde. Sie könnte sich glücklich schätzen, dass ihre Mutter eine so gut angesehene Angestellte der Schule

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