Traeume Suess, Mein Maedchen
Tapete vor und unterdrückte ein Lachen. »Und sehr farbenprächtig dazu.«
Jeff lächelte. »Der Anwalt wird argumentieren, dass Bart etwas derart Schreckliches normalerweise nie tun würde, weil er ein aufrechter Bürger ist, der regelmäßig seine Steuern bezahlt, seinen Hund liebt und sich rührend um seine verwitwete Mutter kümmert, jedoch wegen des Schocks, seine Frau mit seinem besten Freund im Bett zu erwischen, vorübergehend unzurechnungsfähig gewesen ist, weshalb er für seine Tat auch nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Chancen stehen ziemlich gut, dass die Geschworenen ihm glauben. Mr. Bart hat jemanden getötet, aber er ist eigentlich kein Mörder. Das könnte jedem von uns passieren. Okay?«
Lily nickte.
»Okay, Szenario Nummer zwei: Bart und Pünktchenkleid gehen nach Hause; sie wirft ihm vor, den ganzen Abend mit der Kellnerin geflirtet zu haben; er sagt, sie sei verrückt; sie nennt ihn ein Schwein; er nennt sie eine Schlampe; der Streit eskaliert. Sie schreien sich an, es kommt zu einer Rangelei, sie packt ein Messer und sticht ihn ins Herz. Er ist tot, noch bevor er auf dem Boden aufschlägt, und sie erklärt den Polizisten, die sie verhaften, schluchzend, dass sie das nicht wollte. Ihr Anwalt tritt vor Gericht auf, präsentiert Einzelheiten von Barts diversen Seitensprüngen und berichtet von Pünktchenkleids tiefer Reue. Sie ist eine gottesfürchtige
Frau, die in ihrem Leben bisher noch nicht einmal einen Strafzettel wegen Falschparkens kassiert hat; sie wird es nie wieder tun und so weiter und so fort.«
»Sie hat vielleicht jemanden umgebracht, aber sie ist keine Mörderin«, fährt Lily fort. »Es könnte jedem von uns passieren.«
»Szenario Nummer drei: Sie gehen nach Hause, er hat zu viel getrunken; er benutzt sie als Punchingball, wie er es regelmäßig tut, nur dass es diesmal schlimmer ist; er sagt, dass er sie umbringen werde, sie kann sich losreißen, greift zu einer Waffe …«
»Pünktchen erschießt Bart in Notwehr.«
»Genau. Sie tötet ihn, aber ist sie wirklich eine Mörderin?«
»Szenario Nummer vier?«
»Ist das gleiche wie Nummer drei, nur dass Bart seine Drohung diesmal wahr macht und Pünktchen totschlägt.«
»Nun, hier liegt der Fall anders.«
»Inwiefern?«
»Diesmal ist er wirklich ein Mörder.«
»Glaubst du nicht, dass das etwas ist, was jedem von uns passieren könnte, unter den richtigen - oder falschen - Umständen?«
»Ich glaube, dass wir alle zum Opfer werden können«, antwortete Lily, ihre Worte mit Bedacht wählend. »Ich glaube, wir können alle hin und wieder falsche Entscheidungen treffen, aber in diesem Fall gibt es eine Vorgeschichte von Misshandlungen, die bewusste und wiederholte Entscheidung, einen anderen Menschen brutal zu quälen und ihm letztendlich das Leben zu nehmen.« Lily schüttelte sich und trank einen Schluck von ihrem Wein. »Ich glaube, dass das der Unterschied zu den anderen Fällen ist, die du beschrieben hast. Es gibt keinerlei berechtigten Zweifel.«
»Ich stimme dir zu«, sagte Jeff. »Bart ist ein kaltblütiger Mörder, der lebenslang eingesperrt gehört. Aber woher soll
man das wissen, wenn man ihn jetzt so dasitzen, lachen und seinen Kaffee trinken sieht? Er wirkt nicht anders als du und ich. Und damit kommen wir zum Szenario Nummer fünf und dem gefährlichsten aller Mörder - dem Psychopathen.«
»Und was macht ihn gefährlicher als die anderen?«
»Das vollkommene Fehlen jeden Gewissens oder Schuldgefühls. Außerdem ist er ein Chamäleon. Er wechselt seine Persönlichkeiten wie unsereiner die Kleidung. Er studiert dich und gibt dann für dich den Typ, den du sehen willst. Er hat keine echten Gefühle, aber er ist ein Meister im Vortäuschen. Man kann seit Jahren mit einem Typen wie Bart verheiratet sein und dann eines Morgens aufwachen und feststellen, dass er einen von Anfang an belogen hat, dass er nie Medizin studiert oder eine zweite Familie in Kanada hat und dass seine letzten drei Frauen alle auf rätselhafte Weise verschwunden sind. Das heißt, wenn man Glück hat. Die, die Pech haben, wachen nie auf oder verschwinden eines Tages beim Spazierengehen mit dem Hund, um Monate später in einem nahe gelegenen See oder auf dem stinkenden Hügel einer Mülldeponie gefunden zu werden, weil Bart nur auf den richtigen Augenblick gewartet hat.«
»Aber warum tötet er?«
»Wegen der Lebensversicherung, einer anderen Frau, aus Angst, entlarvt zu werden. Manchmal tötet er einfach nur, weil es ihm
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