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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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sich um und suchte nach jemandem, mit dem er reden konnte: »Weiß jemand von Ihnen, warum die Polizei hier ist?«
    »Wie bitte, Sir? Was?«
    Es war ein hagerer Mann auf Krücken, der gesprochen hatte. Paul wiederholte die Frage ein bisschen lauter. »Wissen Sie, warum die Polizei hier ist?«
    Alle fingen an zu reden. Auf Hindi. Ein paar von ihnenmachten sich offenbar über ihn lustig. Schließlich sagte ein junger Mann, der auf dem Boden saß: »Niemand weiß es. Vielleicht ein Verbrechen, Sir.«
    Eine Schwester kam ab und zu und rief die Patienten auf. Alle hatten eine Nummer in der Hand. Es dauerte fast eine Stunde, bevor ein Polizist auftauchte und Paul bat, ihm in den anderen Teil des Gebäudes zu folgen. In einem Raum, der kaum mehr war als eine Abstellkammer, telefonierte ein älterer Beamter mit seinem Handy.
    »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir erklären könnten, was das alles soll«, sagte Paul, kaum dass der Mann sein Telefonat beendet hatte. »Wo ist Helen? Helen James?«
    Der Mann trug eine kakifarbene Uniform und eine Schirmmütze. Eine dick gerahmte Brille verlieh seinem pockennarbigen Gesicht eine gewisse Würde. Sein Bart wirkte wie ein Abzeichen der Selbstgefälligkeit.
    »Mister?«
    »Roberts.«
    »Ach ja, mein Kollege hat mit Ihnen telefoniert.«
    »Bitte, ich warte schon seit –«
    »Mr. Robert, ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Der Mann war barsch und autoritär. Paul wurde ein Platz gegenüber einem jungen Polizisten zugewiesen, der am Schreibtisch saß und mitschrieb. Der Beamte, der sein Handy noch in der Hand hielt, blieb lieber stehen. Etliche Männer in Uniform kamen und gingen; ein Arzt schaute hinein und verschwand eilig wieder.
    »Sie wohnen in der Wohnung von Dr. James. Ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Wie lange wohnen Sie schon dort, Mr. Roberts?«
    Paul überlegte. »Drei Wochen ungefähr.«
    »Sie leben nicht ständig in Indien?«
    »Nein.«
    »Und was ist der Grund Ihres Besuchs?«
    Paul war geduldig. »Ich recherchiere für eine Biografie von Albert James, den Ehemann von Helen James.« Er zögerte. Was für eine andere überzeugende Erklärung könnte er sonst anbieten? »Er ist vor Kurzem verstorben.«
    »Aha.« Der Polizist runzelte die Stirn. »Eine Biografie. Dann sind Sie Schriftsteller?«
    »Ich habe ein Buch über Gandhi geschrieben.«
    »Gandhi«, der Mann zog eine Augenbraue hoch. »Sie sind Pazifist?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Sie sind kein Pazifist.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Sie sind also kein Pazifist.«
    Paul war verärgert. »Hören Sie, würden Sie mir bitte sagen, worum es hier eigentlich geht?«
    Seine Bitte wurde ignoriert. »Wann genau ist Dr. James’ Ehemann verstorben?«
    »Januar. Am 17. Januar, glaube ich.«
    Der Beamte schaute seinem jungen Assistenten über die Schulter, als wolle er überprüfen, was dieser schrieb. Vielleicht war sein Englisch nicht so gut. Ohne aufzublicken, sagte er: »Und wie ist Ihr Verhältnis zu Dr. James’ Sohn?«
    »John James?«
    »Ich kenne seinen Namen nicht, Mr. Roberts. Ich möchte wissen, in welchem Verhältnis Sie zu ihm stehen?«
    »In keinem. Ich kenne ihn gar nicht.«
    »Sie kennen Dr. James’ Sohn nicht?« Der Polizist zog eine dicke Augenbraue hoch und lächelte bewusst sarkastisch, so als hätte er Paul hereingelegt. »Sie sind bei der Mutter zu Gast, und Sie kennen den Sohn nicht?«
    »John lebt in London.«
    »Ach ja? Tatsächlich? Dennoch ist er zurzeit in Delhi.«
    »Wirklich?« Erst jetzt wurde Paul klar, dass es John war, den die Polizei abgeführt hatte. »Helen wusste nicht, dass ihr Sohn in Indien ist«, sagte er schnell. »Sie waren nicht in Kontakt.«
    »Aha. Tatsächlich? Mutter und Sohn waren nicht in Kontakt?«
    »Nein.«
    »Und er wohnte nicht bei seiner Mutter?«
    »Nein. Aber …« Paul stockte.
    Der Polizist betrachtete ihn. »Und Sie wissen nicht, wo er wohnte?«
    »Wie sollte ich, wenn ich nicht mal wusste, dass er in Delhi ist?«
    Plötzlich änderte der Beamte unvermittelt seinen Tonfall und fragte: »Wo waren Sie gestern Abend, Mr. Roberts?« Er fing an, mit den Fingern auf die Schreibtischplatte zu trommeln.
    Paul zögerte. »Sie wollen wissen, wo ich war? Warum denn, um Himmels willen? Was –«
    »Mr. Roberts, Sie müssen kooperieren. Dies ist eine äußerst ernste Angelegenheit.«
    »Okay.« Paul holte tief Luft. »Also, gestern Nachmittag ist Besuch in Dr. James’ Wohnung eingetroffen, die Freundin des Sohnes aus London.«
    Als er merkte, dass der Beamte ihn

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