Traeume von Fluessen und Meeren
nicht zu Fuß zum Taj Mahal gehen sollte.
John wollte weitergehen, aber der Händler ließ nicht von ihm ab.
»Sir, Sir, auch nicht z wei Steinelefanten. Nein!« Er schüttelte theatralisch den Kopf. Drei Steinelefanten! Drei! 350 Rupien.«
John konnte sich nicht losreißen. Irgendetwas an dem jungen Mann schien sich mit seinem Gefühl von Übelkeit zu verzahnen.
»Hier, nehmen Sie, nehmen Sie bitte!«, sagte der Händler, »nicht kaufen, nur anschauen, Sir, hier, nehmen Sie bitte!«
Er drückte John den größeren Elefanten in die Hand und zog dann aus dem kleineren einen weiteren Elefanten hervor, ein winziges steinernes Ding, kaum drei Zentimeter groß. »Drei Steinelefanten, Sir! 300 Rupien. Sehr guter Preis für lächelnden Elefanten. Der lächelnde Elefant. Gott der glücklichen Familie, Sir. Häuslicher Frieden. Indien. Drei Elefanten, Sir. Shiva, Parvati, Ganesh. Die Familie, Sir. Heilige Familie. Drei Elefanten!«
John war ratlos. Der junge Mann schaute ihm direkt in die Augen. Sein Hemd war verschwitzt, die Hosen zerfleddert. Elefanten, Elefanten, Elefanten. Er schien irgendwie unter Drogen zu stehen.
»Eins, zwei, drei Elefanten, Sir. Grüner Stein. Sehr wertvoll. Nur 300 Rupien, Sir.«
John zog seine Brieftasche hervor, zählte drei Hundertrupienscheine ab und reichte sie dem Händler. Eine Gruppe von Amerikanern, die ein paar Meter entfernt gestanden und die Transaktion mit Spannung verfolgt hatte, applaudierte spontan.
»Aber behalten Sie die Elefanten«, sagte John spitz. »Nehmen Sie die 300 Rupien, aber behalten Sie die Elefanten.« Er versuchte, den einen, den er in der Hand hielt, zurückzugeben.
Der junge Mann wich zurück. »Nein, Sir. Drei Elefanten, Ihre Elefanten, Sir.« Er hatte das Geld bereits in seine Tasche gesteckt und wollte jetzt die beiden kleineren Elefanten wieder an ihren Platz in dem größeren schieben. Einen Moment lang entstand fast ein Gerangel.
»Ich kann nicht so viel mit mir herumschleppen«, protestierte John. Er wollte die Dinger nicht. Ihm war schwindelig. »Nehmen Sie das Geld, es ist ein Geschenk.«
»Ihre Elefanten, Sir! Drei Elefanten.«
John fragte sich allmählich, wie gut der Junge Englisch sprach. Sollte er nicht froh sein, das Geld einfach so zu bekommen?
»Mr. John!« Der Führer kam eilig herbei. »Mr. John, bitte, Sie haben für die Elefanten bezahlt. Sie müssen sie nehmen. Dieser Mann ist kein Bettler. Sie beleidigen ihn.«
John atmete tief. Irgendetwas in der Luft reizte ihn hier. Er hatte keine Indienreise machen wollen, er war nur gekommen, um seinen toten Vater ein letztes Mal zu sehen. Er brachte ein müdes Lächeln zustande und erlaubte dem Mann, ihm die Elefanten in die Hand zu drücken. Sie waren schwer. »Vielen Dank«, sagte er.
»Danke Ihnen, Sir, danke.« Der Händler zog sich bereits zurück. »Drei Elefanten, Sir«, sagte er und lächelte ihm mit aufgerissenen Augen zum Abschied zu, vermutlich voller Hohn, dachte John.
Und jetzt, als sie sich dem Eingang näherten, fing der Führer an, ihm lang und breit von der großen Liebe des Sultans ShahJahan zu seiner Frau Mumtaz Mahal zu erzählen. Ihr Name bedeutete: die Auserwählte des Palastes. »Die beiden waren sehr verliebt«, wiederholte der Führer, »selbst nach neun Jahren Ehe, als die wunderschöne Mumtaz –«
»Wollen Sie wissen, was mein Vater über die Liebe gesagt hat?«, fragte John unvermittelt.
»Entschuldigung, Sir«, sagte der Führer. »Die wunderschöne Mumtaz –«
»Mein Vater«, fuhr John fort, »war der Ansicht, das Wort ›Liebe‹ habe eine besondere linguistische Funktion. Es bezeichnete nichts Reales, sondern wurde in einer Beziehung eingeführt, um den anderen in die Pflicht zu nehmen. Er hielt es für eine Waffe, mit der man Menschen dazu bringt, ein Muster anzunehmen, das man ihnen aufzwingen will.«
»Wie bitte?«, fragte der Führer.
Sie standen inzwischen in einer Schlange, die zu einem eher bescheidenen Tor in einer Sandsteinmauer führte. Mit einem höflichen Lächeln fragte der Führer: »Und was meint Ihre Mutter dazu?«
»Meine Mutter?« John schüttelte den Kopf. »Mum hat Dad zu Tode geliebt.«
Der Führer lachte. John wurde etwas klarer im Kopf. Die Schlange bewegte sich langsam vorwärts. Fremde mussten anscheinend zehnmal so viel bezahlen wie Einheimische.
»Weil Sie zehnmal so viel Geld haben«, erklärte der Führer süffisant.
John hatte immer noch die Elefanten in der Hand. »Was waren das für Namen, die der Junge aufgezählt
Weitere Kostenlose Bücher