Träume wie Gold: Roman (German Edition)
Bruder die Flasche in die Hand. »Du musst jetzt allein weitermachen.«
»Hier ist gleich die Hölle los!«, brüllte er ihr hinterher, aber Dora war bereits verschwunden.
»Los geht’s, Leute!«, schallte die Stimme des Sängers durchs Theater. »Zählt alle mit. Zehn, neun, acht, sieben …«
Sie beugte sich vornüber, stützte die Hände auf Jeds Schultern, er griff nach ihren Hüften.
»Sechs, fünf …«
Die Wände zitterten. Sie machte einen Schritt ins Leere, hinaus in den kunterbunten Konfettiregen, spürte, wie seine Muskeln sich verspannten, als sie ihm das Haar zurückstrich, und ihre Beine sich um seine Lenden schlangen.
»Vier, drei …«
Zentimeter für Zentimeter glitt sie an seinem Körper herab, verlor sich immer heftiger atmend in seinem Blick.
»Zwei, eins …«
Ihr Mund öffnete sich dem seinen, heiß und hungrig. Laute der Lust und des Wohlbehagens mischten sich mit den explodierenden Jubelrufen der Feiernden. Mit einem Seufzer veränderte sie den Winkel ihres Kusses, tauchte tiefer in ihn ein, beide Hände in seinen Haaren vergraben. Ganz langsam ließ er sie zu Boden gleiten, sicher, dass demnächst etwas in ihm explodieren würde – Kopf, Herz, Lenden. Selbst als sie auf ihren Füßen stand, blieb ihr Körper so sehr mit dem seinen verschmolzen, dass er ihn beinahe schmerzvoll spürte.
Sie schmeckte rassiger als Whisky, moussierender als Champagner. Jetzt verstand er, dass ein Mann sich tatsächlich an einer Frau berauschen konnte.
Er entzog ihr seinen Mund, hielt sie aber fest an sich gepresst. Ihre Lider waren halb geschlossen, ihr Mund leicht geöffnet.
»Gib mir noch einen«, murmelte sie.
Doch ehe er ihrer Bitte nachkommen konnte, war Quentin neben ihnen aufgetaucht und hatte seine Arme um ihre Schultern gelegt. »Ein gutes neues Jahr, mes enfants!« Er hob seine Stimme. »Läute das alte aus, das neue ein. Läutet, fröhliche Glocken, über den Schnee: Das alte Jahr hat sich verabschiedet, lasst es ziehen. Vergesst die Lügen, begrüßt die Wahrheit.«
»Tennyson«, flüsterte Jed, seltsam berührt, und Quentin strahlte ihn an.
»Richtig.« Er küsste erst Dora, dann Jed mit gleicher Innigkeit. Bevor Jed sich noch von dem Kuss erholen konnte, stand Trixie neben ihnen.
»Feste feiern ist herrlich«, jauchzte sie und verteilte verschwenderisch ihre Neujahrsküsse. »Will, komm her und gib deiner Mutter einen Kuss.«
Will gehorchte, hüpfte mit einem zirkusreifen Sprung von der Bühne, legte eine elegante Verbeugung vor Trixie hin, küsste sie, dann seinen Vater und wandte sich anschließend an Jed.
Der machte sich steif wie ein Brett. »Ich möchte mich nicht mit dir schlagen müssen.«
Will grinste nur. »Tut mir Leid, wir sind eine sehr emotionale Familie.« Trotz der Warnung drückte er Jed an die Brust und klopfte ihm den Rücken. »Ah, da sind ja Lea und John.«
Jed, dem alles etwas unangenehm war, machte einen Schritt rückwärts, doch die Bühne versperrte ihm jeden Fluchtweg. Also streckte er die Waffen, ließ sich mit philosophischem Gleichmut von Lea küssen und von John umarmen, dem er noch nicht vorgestellt worden war.
Dora, die Jed beobachtete und alle Gefühlsregungen registrierte, die sich in seinem Gesicht spiegelten, lachte fröhlich und schnappte sich ein volles Glas Champagner.
Auf dein Wohl, Skimmerhorn. Das war noch gar nichts.
DiCarlo focht einen langen, qualvollen Todeskampf aus. Winesap hatte geduldig gewartet und dabei sein Möglichstes getan, um die dünnen Hilferufe, die im Delirium gestammelten Gebete und gurgelnden Seufzer zu überhören.
Er wusste nicht, inwiefern Finley die Hausangestellten instruiert hatte. Er wollte es auch gar nicht wissen. Aber er hatte in diesen endlosen drei Stunden des Wartens mehrmals inbrünstig darum gebetet, dass DiCarlo Klasse zeigen und bald sterben möge.
Dann, als die Abenddämmerung heraufzog und die grässlichen Laute draußen verstummt waren, wünschte er sich, dass DiCarlo sich mehr Zeit damit gelassen hätte. Die Pflicht, die er jetzt zu erfüllen hatte, behagte ihm gar nicht.
Seufzend verließ er das Haus, ging an dem ausgestreckt daliegenden Körper vorbei, über die südliche Wiese auf den Geräteschuppen zu.
Bescheiden hatte er Finley gefragt, ob es dort so etwas wie eine Plastikdecke oder Plane gäbe.
Finleys Anweisungen folgend fand er eine große Rolle Abdeckfolie, die mit weißer Farbe gesprenkelt war. Seine Wirbel knacksten unter dem Gewicht, als er die Rolle auf seine
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