Träume wie Gold: Roman (German Edition)
deuten. »Wir werden sie nicht überanstrengen.«
»Ich weiß. Dora versicherte mir, dass Sie schonend mit ihr umgehen werden. Und Sie lassen mich doch wissen, wenn es etwas Neues gibt, nicht wahr?«
»Selbstverständlich werden wir das.« Dora führte Sharon zu einer Bank. »Setzen Sie sich. Ruhen Sie sich inzwischen ein bisschen aus.«
»Wir haben nur fünfzehn Minuten«, flüsterte Jed Dora zu, als sie zurückkam. »Sehen wir zu, dass wir sie nutzen. Und du tust nichts, sagst nichts, ehe wir dir nicht ein Zeichen geben.«
»Jawohl, Captain.«
Ohne auf ihren spitzen Ton zu reagieren, wandte er sich Brent zu. »Eigentlich sollte sie überhaupt nicht mit reingehen.«
»Aber sie hat die Statue gesehen, wir nicht.« Gefolgt von Jed und Dora ging Brent durch die Schwingtür am Stationszimmer vorbei und betrat dann eines der kleinen Zimmer.
Dora war froh, dass sie zum Stillschweigen verdonnert worden war. Sie hätte ihre Stimme ohnehin nicht unter Kontrolle gehabt. Mrs. Lyle, die sie als elegante, selbstbewusste Frau in Erinnerung hatte, lag mit geschlossenen Augen bewegungslos in dem schmalen Krankenhausbett. Ihr einstmals tiefschwarzes Haar war matt und glanzlos, am Haaransatz inzwischen grau, und die schneeweißen Verbände ließen ihren Teint erschreckend blass erscheinen. Sie sah elend aus, und die Gesichtshaut, die sich über den scharf hervortretenden Wangenknochen spannte, war so dünn, dass Dora fürchtete, sie würde bei der leichtesten Berührung zerreißen.
»Mrs. Lyle«, sprach Brent, der neben dem Bett stand, sie mit leiser Stimme an.
Dora konnte die feinen blauen Adern in ihren unruhigen Lidern erkennen. Das monotone Piepsen des Monitors hielt an, als Mrs. Lyle die Augen aufschlug und sichtlich mühsam den Blick auf ihre Besucher richtete.
»Ja?« Ihre Stimme war schwach.
»Ich bin Lieutenant Chapman. Fühlen Sie sich in der Lage, ein paar Fragen zu beantworten?«
»Ja.«
Dora beobachtete Mrs. Lyle, wie sie angestrengt schluckte. Sie trat ans Bett, nahm das Wasserglas vom Nachttisch und schob ihr den Strohhalm zwischen die ausgetrockneten Lippen.
»Danke.« Ihre Stimme klang ein wenig weicher. Sie schaute Dora an und lächelte. »Miss Conroy. Wie nett, dass Sie mich besuchen.«
Jeds Anordnung war vergessen. »Ich bin ja so froh, dass es Ihnen wieder besser geht.« Sie beugte sich zu ihr hinab und legte ihre Finger sanft um Mrs. Lyles magere Hand. »Es tut mir so Leid, dass Sie verletzt worden sind.«
»Sie sagten mir, dass Muriel tot ist.« Ihre müden Augen füllten sich langsam mit Tränen. »Ich habe sie so gern gehabt.«
Doras Schuldgefühle meldeten sich sofort wieder. Es gelang ihr, sie auszuschalten, aber nicht, sie zu ignorieren. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich das alles erschüttert hat. Die Polizei hofft, dass Sie ihnen helfen können, diesen Mann zu fassen.« Sie zog ein Kleenex aus der Schachtel auf dem Nachttisch und trocknete die Tränen auf Mrs. Lyles Wangen.
»Ich möchte gern helfen.« Ihre Stimme klang etwas energischer, als sie sich wieder Brent zuwandte. »Ich habe ihn nicht gesehen, Lieutenant. Ich habe niemanden gesehen. Ich … ich saß gerade vor dem Fernseher und dachte, es sei Muriel, die ich hörte …« Mrs. Lyle verstummte, ihre Finger bewegten sich in Doras Hand, als suchte sie bei ihr Trost. »Denn es war jemand ins Wohnzimmer gekommen. Und dann spürte ich nur noch diesen schrecklichen Schmerz, als sei etwas in meinem Kopf explodiert.«
»Mrs. Lyle«, begann Brent, »erinnern Sie sich daran, dass Sie am Tag vor dem Überfall in Miss Conroys Laden einen Hund gekauft haben?«
»Ja, für Sharons Baby. Einen Türstopper«, fügte sie hinzu
und drehte den Kopf wieder in Doras Richtung. »Ich mache mir Sorgen, dass Sharon nicht genug Ruhe hat. All diese Aufregung …«
»Sharon geht es prima«, versicherte Dora ihr schnell.
»Mrs. Lyle.« Jed trat einen Schritt vor. »Erinnern Sie sich im Zusammenhang mit diesem Hund noch an etwas anderes?«
»Nein.« Sie versuchte sich zu konzentrieren, doch es war vergeblich. »Ich weiß, dass er entzückend aussah. Ein Wachhund, dachte ich, für das Baby. Ist es das, worauf er es abgesehen hatte?« Wieder bewegten sich ihre Finger rastlos in Doras Hand. »Ist es das, was er wollte? Diesen kleinen Hund? Ich glaube, ich glaube mich zu erinnern, dass er etwas von einem Hund gebrüllt hat. Aber das kann doch nicht sein.«
Jed suchte Mrs. Lyles Blick. In ihren Augen stand Angst, aber er musste weiter
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