Träume wie Gold: Roman (German Edition)
faszinierend wortkarg, doch würde es mich nicht wundern, wenn unter dieser stillen Oberfläche eine heiße Quelle sprudelt. Ich könnte mir kein hübscheres Geschenk fü meine geliebte Tochter denken als einen überaus interessanten Nachbarn.
Herzlich willkommen daheim, mein erstgeborenes Kind
Dein dich liebender Vater.
Dora sträubte sich zwar dagegen, den Brief amüsant zu finden, musste aber trotzdem lächeln. Quentins Schachzug war leider nur zu vordergründig: Bring sie auf Tuchfühlung mit einem attraktiven Mann, und vielleicht – nur ganz vielleicht – verliebt sie sich ja in ihn, heiratet ihn und schenkt ihrem unersättlichen Vater noch mehr Enkelkinder zum Verhätscheln.
»Tut mir Leid, Dad«, flüsterte sie. »Ich glaube, da wirst du wieder eine Schlappe einstecken müssen.«
Sie legte den Zettel beiseite und suchte auf dem Mietvertrag Jeds Unterschrift, die man als lässig hingeschmiertes Gekrakel bezeichnen konnte. Sie unterzeichnete ebenfalls den Vertrag und die Kopie. Dann nahm sie das oberste Blatt, marschierte zur Tür, um gegenüber anzuklopfen.
Als die Tür aufging, streckte sie Jed den Mietvertrag äußerst schwungvoll entgegen. »Das werden Sie für Ihre Akten brauchen.«
Er nahm ihr den Vertrag ab. Sein Blick senkte sich, unterzog ihn einer schnellen Musterung, um sie dann wieder anzusehen. Freundlich war dieser Blick nicht zu nennen, eher kühl. Was ihm übrigens gut stand. »Warum hat der alte Kauz den Mietvertrag bei Ihnen deponiert?«
»Der alte Kauz«, erklärte sie in mildem Tonfall, »ist mein Vater. Und das Haus gehört mir, was mich, Mr. Skimmerhorn, zu Ihrer Vermieterin macht.« Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und durchmaß den Flur mit zwei großen Schritten. Die Hand bereits an ihrer Türklinke, hielt sie inne und drehte sich um. »Die Miete ist am Einundzwanzigsten jeden Monats fällig. Sie können einen Scheck unter meiner Tür durchschieben, dann sparen Sie sich die Briefmarke und den Kontakt mit mir.«
Damit schlüpfte sie durch die Tür und ließ diese mit einem wohltuenden Knall ins Schloss fallen.
3. Kapitel
Als Jed die Treppe zur Haustür hinaufjoggte, hatte er seinen Kater, den er einer halben Flasche Whisky vom Vorabend zu verdanken hatte, größtenteils wieder ausgeschwitzt. Das Fitnessstudio an der nächsten Straßenecke hatte ebenfalls zur Entscheidung für diese Wohnung beigetragen. Dort hatte Jed gerade segensreiche eineinhalb Stunden mit Gewichtheben verbracht, auf den schweren Sandsack eingedroschen und anschließend im Dampfbad seinem Brummschädel den Garaus gemacht.
Jetzt, da er sich beinahe wieder wie ein Mensch fühlte, gelüstete es ihn nach einem Becher schwarzen Kaffee und dem Mikrowellen-Frühstück, das er in seinem Tiefkühlfach entdeckt hatte. Er fischte den Schlüssel aus seiner Jogginghose und sperrte die Wohnungstür auf. Er hörte die Musik sofort. Gottlob keine Weihnachtslieder, sondern die volle, dunkle Stimme von Aretha Franklin, die Gospels sang.
Mit dem Musikgeschmack seiner Vermieterin würde er leben können, überlegte er erleichtert und wäre geradewegs in seine Wohnung gegangen, wenn ihre Tür nicht offen gestanden hätte.
Was dem einen recht ist, kann dem anderen nur billig sein, beschloss er, vergrub die Hände in den Hosentaschen und schlenderte hinüber. Er wusste sehr genau, dass er am Abend zuvor unhöflich gewesen war. Er hielt es daher für angebracht, seiner Vermieterin so etwas wie ein vorsichtiges Friedensangebot zu machen.
Er schob die Tür ein Stück weiter auf und staunte.
Ihr Apartment war ebenso geräumig wie seins, es hatte eine hohe Decke und drei große Fenster, die es sehr hell und luftig machten. Doch damit endete die Ähnlichkeit auch schon.
Obgleich er in einem Haus aufgewachsen war, in dem es an Antiquitäten und Zierrat nicht gemangelt hatte, war
er doch einigermaßen verblüfft. Noch nie zuvor hatte er einen so vollgestellten Raum gesehen. Eine Wand schmückten Glasregale, die mit alten Flaschen, Gegenständen aus Zinn, Figürchen, alten Dosen und sonstigem Kleinkram beladen waren. Er sah mehrere Tische, auf denen sich weiterer Nippes aus Glas und Porzellan türmte. Ein großgeblümtes Sofa war mit bunten Kissen zugedeckt, deren Farben sich in einem ausgeblichenen Perserteppich wieder fanden. Ein ähnlicher Teppich hatte im vorderen Salon seines Elternhauses gelegen, solange er denken konnte.
In Anbetracht des bevorstehenden Festes stand neben den Fenstern ein üppiger
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