Träume wie Gold: Roman (German Edition)
gefallen sind.«
»In der Mauer neben der Treppe.« Amüsiert beobachtete er Quentin, wie dieser schnurstracks auf die bezeichnete Stelle zuging und den Verputz in Augenschein nahm. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn der Mann ein Vergrößerungsglas und eine Sherlock-Holmes-Mütze aus der Tasche gezogen hätte.
»Merkwürdig, nicht wahr? Wissen Sie, ich habe einmal den Poirot in einer Theaterinszenierung des Orient Express gespielt.«
»Und Will hat bei Stallone einen Drogendealer gespielt. Was für eine Familie.«
»Um ein Meister in seinem Fach zu werden, muss man vom Helden bis zum Bösewicht die ganze Palette durcharbeiten. Wir haben die Schauspielerei im Blut, müssen Sie wissen. Obgleich es Izzy offenbar mehr zu den Requisiten zieht.« Er kehrte zu seinem Hocker zurück und machte es sich, die Beine ausgestreckt und über den Knöcheln gekreuzt, die Arme auf seinem flachen Bauch verschränkt, darauf bequem. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
Jed warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Gleich zwölf.«
»Dann ist es ja gut.« Zufrieden angelte Quentin in seiner Manteltasche nach dem Flachmann.
»Bringen Sie den bloß nicht in meine Nähe.«
Quentin setzte ein wissendes Lächeln auf. »Ich fürchte, das letzte Mal hatte ich ihn mit meinem Spitzensprit, wie ich ihn nenne, gefüllt. Heute besteht keine Gefahr.«
»Trotzdem passe ich.«
»Na, denn Prost auch. Auf alle Frauen, die ich je geliebt habe.« Quentin nahm einen guten Schluck und steckte die Flasche sofort wieder weg. Dora könnte ja jeden Augenblick hereinschneien. »Eigentlich hatte mein Besuch heute Vormittag noch einen anderen Grund. Ich wollte Sie nochmals
zu unserer alljährlichen Silvesterparty im Theater einladen. Meine Frau möchte ihnen persönlich dafür danken, dass Sie so gewissenhaft auf unsere Izzy aufgepasst haben.«
»Ich bin kein großer Partybesucher.»
»Ich würde es als persönlichen Gefallen betrachten, wenn Sie zumindest kurz vorbeischauen würden. Und nach dieser unangenehmen Geschichte wäre es mir zudem lieb, wenn Izzy nicht alleine dorthin fahren müsste.« Nachdem er den Köder ausgelegt hatte, genehmigte Quentin sich noch einen schnellen Schluck, ehe er sich verabschiedete.
Da auch nachmittags wenig zu tun war, überließ Dora Terri das Feld und klemmte sich hinter ihre Buchhaltung, die wieder neu sortiert werden musste. Es dämmerte bereits, als Jed die Treppe herunterkam und, ohne ein Wort an sie zu richten, damit begann, die Wand auszumessen, für die die Regale bestimmt waren.
Dora würdigte ihn ebenfalls gute fünf Minuten lang keines Blicks. »Diese Alarmanlage, die du mir aufgeschwatzt hast, ist mindestens genauso kompliziert wie die in Fort Knox.«
Jed kritzelte verschiedene Maßangaben auf ein Stück Papier. »Du musst nichts weiter tun, als eine sechsstellige Kodenummer eingeben.«
»Und wenn ich die vergesse, dann gehen sämtliche Klingeln und Sirenen los, Scheinwerfer leuchten auf – und irgendein Typ mit einem Megafon vorm Gesicht fordert mich auf, mit erhobenen Händen rauszukommen.«
»Dann darfst du die Nummer eben nicht vergessen.«
»Ich hab’s aber nun mal nicht so mit Zahlen. Deshalb beschäftige ich ja auch einen Buchhalter.«
»Hast einen beschäftigt. Er ist übrigens sauber.«
»Sauber? Andrew? Klar ist er das. Seine Mutter schaut doch jeden Abend nach, ob er sich auch hinter den Ohren gewaschen hat.«
Auf einen Knopfdruck hin sauste Jeds Maßband zischend
in die Box zurück. »Warum, zum Teufel, bist du überhaupt mit so einem Kerl ausgegangen?«
»Er hat mir einen Vortrag über den Paragrafen fünfundzwanzig des neuen Steuergesetzes gehalten. Er hat mich damit so beeindruckt, dass ich Angst hatte, seine Einladung auszuschlagen.« Sie lächelte jetzt, weil es ihnen schließlich doch noch gelungen war, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Genau genommen hatte ich Mitleid mit ihm. Seine Mutter ist wirklich eine herrschsüchtige alte Hexe.«
»An dem fraglichen Abend war Andrew mit dieser herrschsüchtigen alten Hexe und zwei Dutzend anderen Leuten auf der Dawd, Dawd und Goldstein-Weihnachtsfeier. Bis halb elf hat er ein wasserdichtes Alibi.«
»Hab’ sowieso nie geglaubt, dass er es war.« Sie wandte sich wieder ihren Lieferscheinen und Rechnungen zu. »Ich habe im Krankenhaus angerufen.«
»Was?«
»Mrs. Lyle. Die Nachrichten heute Morgen, erinnerst du dich? Es ging mir einfach nicht aus dem Sinn.« Sie heftete einen Federal-Express-Beleg in dem entsprechenden Ordner ab.
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