Traeume wie Samt
Arzt, der in der Tür zum Warteraum stand.
»Aufwachen.« Sanft hob er Mollys Kopf von seiner Schulter. »Wir haben Besuch.« Ein Blick in das Gesicht des Arztes genügte. Er wußte sofort, daß Leon überleben würde. Harry war erstaunt über die starke Erleichterung, die ihn durchlief. Der alte Bastard war zäh wie Leder.
Molly öffnete die Augen und sah den Arzt an. »Ist etwas passiert?«
Der Arzt blickte von Harry und Molly zu der bedrückten Versammlung schlaftrunkener Trevelyans und lächelte. »Eine gute Nachricht. Ich habe das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß sich Mr. Trevelyans Zustand stabilisiert hat. Aus dem Gröbsten ist er heraus. Ich glaube, wir können davon ausgehen, daß er noch lange genug lebt, um den neuen Lastwagen abzubezahlen, den er vergangene Nacht zu Schrott gefahren hat.«
Ein schwacher, aber herzlicher Jubel erklang. Josh sah Harry an und grinste.
Evangeline gab ein erleichtertes Seufzen von sich. »Ich wußte, daß Leon sich nicht so einfach davonmachen würde.«
»Er hat immer behauptet, neun Leben zu besitzen wie eine Katze«, sagte Raleigh mit leichtem Grinsen. »Nach meiner Rechnung hat er inzwischen mindestens acht verbraucht.«
»Das kannst du laut sagen«, murmelte seine schwangere Frau müde. »Eines Tages wird der alte Kojote eine Chance zu viel vertun.«
»Aber offenbar nicht heute«, sagte Harry leise.
Der Arzt sah ihn an. »Er fragt nach Ihnen.«
Harry stand auf und streckte sich. Molly erhob sich ebenfalls. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. Er schüttelte den Kopf. »Es ist in Ordnung. Ich sehe nach, was er will. Dann können wir in der Kantine frühstücken und nach Seattle zurückfahren.«
Sie nickte. »Ich warte hier.«
Harry ging durch den Korridor zu Leons Zimmer. Durch dessen Fenster fiel Sonnenlicht herein. Eine Krankenschwester wandte sich gerade zum Gehen. Sie lächelte, als sie an Harry vorbeikam. »Gratulation«, sagte er zu Leon. »Ich hatte so eine Ahnung, daß du durchkommst.«
Leon drehte den Kopf auf seinem Kissen und sah Harry düster an. »So? Ich wünschte, ich wäre genauso sicher gewesen. Wenn ich gewußt hätte, daß ich heute nacht nicht den Löffel abgebe, hättest du mich nicht herumgekriegt. Du hast meine Schwäche ausgenutzt.«
»Eine Abmachung ist eine Abmachung.«
»Ja, ja. Du hast bekommen, was du haben wolltest.« Leon schwieg. »Wie geht es Josh?«
»Gut. Er hat allen erzählt, was du heute nacht zu ihm gesagt hast. Daß es Zeit ist für die Trevelyan-Männer, ihren Kopf zu benutzen, statt andere Teile ihrer Anatomie.«
»Habe ich ihn glücklich gemacht? Was meinst du?«
»Ja. Du hast ihm eine große Last von den Schultern genommen.« Mit einem vielsagenden Blick fixierte Harry seinen Onkel. »Du hast ihm etwas gegeben, das ich ihm nicht geben konnte. Etwas, das er für den Rest seines Lebens besitzen wird.«
»Und was?«
»Das Wissen, daß du stolz auf ihn bist und daß sein Vater es ebenfalls wäre. Er fühlt sich nicht länger wie ein Verräter am Erbe der Trevelyans.«
»Gut. Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist wirklich die Zeit für eine neue Tradition gekommen, weißt du?«
Harry lächelte. »Was soll das? Du willst mir doch nicht erzählen, daß du durch die Begegnung mit dem Tod zu einer neuen Lebenseinstellung gekommen bist?«
»Nein. Ich habe nur etwas praktischer denken gelernt. Mit den Rennen habe ich nie viel Geld verdient, und was Willy angeht … Wir wissen beide, was mit ihm passiert ist. Wäre ganz gut, wenn Josh etwas anderes ausprobiert.«
»Du überraschst mich, Leon. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Außer danke.«
Leon blinzelte zu ihm herauf. »Wenn du schon davon sprichst … Es gibt etwas, womit du deine ewige Dankbarkeit beweisen kannst.«
»Und was?«
»Ich brauche einen neuen Lastwagen.«
Während Molly den Sicherheitsgurt einschnappen ließ, sah sie Harry amüsiert an. »Leon will, daß du ihm einen neuen Lastwagen kaufst?«
»Leon hat noch nie eine Gelegenheit verstreichen lassen, ohne davon zu profitieren.« Harry lenkte den Sneath vom Parkplatz vor dem Krankenhaus. Zufrieden bog er auf die Hauptstraße ein. Es war halb acht. In einer Stunde würden sie wieder in Seattle sein. Molly käme rechtzeitig für den Tagesbetrieb zu ihrem Laden zurück.
»Dein Onkel ist wirklich ein sturer Kerl.« Molly zögerte. »Ich konnte nicht umhin zu beobachten, daß du ihm hart zugesetzt hast.«
»Das ist die höfliche Ausdrucksweise. Ich gestehe, daß ich ihm heut nacht
Weitere Kostenlose Bücher