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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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eigene Leute.«
    »Und auf einen Schlag waren die Trevelyans ohne Arbeit?«
    »Genau.«
    »Und die Strattons?«
    »Sagen wir es so: Von meiner Mutter wurde erwartet, daß sie einen wohlhabenden Stanfordabsolventen mit gutem gesellschaftlichem Hintergrund heiratete. Statt dessen brannte sie mit einem Kerl vom Rummelplatz durch.« Harry warf Molly einen verächtlichen Blick zu. »Wie, glauben Sie, hätten andere Familien unter ähnlichen Umständen reagiert?«
    »Nicht sehr erfreut, nehme ich an.«
    »Das sehen Sie richtig.«
    »Und? Was ist geschehen?«
    Harry hob die Brauen. »Sie sind sehr neugierig.«
    »Tut mir leid.« Molly war betroffen. »Das ist ein Familienfehler. Ich stamme aus einer langen Reihe von Erfindern, haben Sie das vergessen?«
    »Nein.«
    »Sie müssen nicht antworten. Ich will sie nicht ausspionieren.«
    »Die Strattons taten alles, was in ihrer Macht stand, um die Heirat rückgängig zu machen. Parker Stratton, mein Großvater, versuchte eine Annullierung zu erreichen. Als das fehlschlug, drängte er auf Scheidung. Einer der Gründe, warum meine Eltern nach Hawaii gingen, war, weil sie dadurch ein großes Stück Ozean zwischen sich und ihre Familien bringen konnten. Nur so konnten sie Frieden finden.«
    »Hatte sich die Aufregung gelegt, als Sie nach Seattle kamen?«
    »Nein. Die Fehde geht bis auf den heutigen Tag weiter.«
    »Und Sie befinden sich zwischen beiden Lagern?«
    Harry hob die Schultern. »So laufen die Dinge manchmal.«
    An der Oberfläche klang er unglaublich gelassen, als wäre seine Familiensituation für ihn ohne Belang. Doch Molly hörte das Leid, das unterschwellig in seinen Worten mitschwang, so deutlich, daß sie nach Atem rang. Was immer Harry für die Strattons und die Trevelyans auch empfand – es war gewiß nicht Gleichgültigkeit. Aber sie begriff auch, daß er seine Gefühle diesbezüglich fest verschlossen halten wollte.
    »Leben Ihre Eltern noch auf Hawaii?« fragte Molly.
    »Meine Eltern sind tot. Sie wurden vor neun Jahren von bewaffneten Autodieben ermordet.«
    Seine Stimme klang unendlich leise und sehr kalt. Wieder nahm Molly unter der Oberfläche eine Flut heftiger Emotionen wahr. Nicht einmal in Ansätzen hätte sie dieses komplexe und gefährliche Gemisch benennen können. Zorn? Verzweiflung? Bedauern? Alles und mehr. Aus diesem Stoff waren Alpträume gemacht. »Mein Gott.« Etwas anderes fiel ihr nicht ein. Harry schwieg. »Es tut mir leid«, fügte Molly hilflos hinzu.
    »Ihre Eltern sind auch tot«, sagte Harry, als besäßen sie darin eine Gemeinsamkeit.
    »Ja.« Molly sank für eine Zeitlang in Schweigen. Ihre Gefühle waren nicht annähernd so kompliziert wie die von Harry. Wann immer sie in letzter Zeit an ihre Eltern dachte, spürte sie den Verlust schmerzhaft. Die anfängliche Trauer war inzwischen verschwunden, ebenso der Zorn und die Angst. Zwei Gefühle, die sie sich anfangs nur schwer hatte eingestehen können. Sie lag nicht mehr nächtelang wach und grübelte darüber nach, wie sie die Hypotheken abzahlen und dafür sorgen konnte, daß ihre Schwester eine gute Ausbildung erhielt. Mittlerweile hatte sie es geschafft, mit der zunächst überwältigend erscheinenden Last der Verantwortung umzugehen. Molly spähte durch die breite Windschutzscheibe, als die Lichter des »Abberwick-Familiensitzes« auftauchten, wie ihre Schwester das alte Haus ironisch nannte. »Da sind wir. Vielen Dank, daß Sie mich heimgefahren haben.«
    »Ich begleite Sie zur Tür.« Harry brachte den Wagen vor dem massiven schmiedeeisernen Tor zum Stehen, und Molly suchte in ihrer Tasche nach der Codekarte. Als sie das Plastikstück schließlich gefunden hatte, reichte sie es Harry. Über der herabgesenkten Scheibe schob er die Karte in den vorgesehenen Schlitz. Die schweren Torflügel schwenkten nach innen.
    »Gutes Sicherheitssystem«, bemerkte er.
    »Mein Vater hat es entwickelt.« Molly neigte das Kinn zur Seite und wies auf den nächtlichen dunklen Garten. »Das Bewässerungssystem hat er ebenfalls gebaut. Er war immer mit Arbeiten am Haus beschäftigt. Was die Bastelei angeht, tritt meine Schwester Kelsey in seine Fußstapfen. Sie besitzt das Genie der Abberwicks für Naturwissenschaft und Technik.«
    »Und was ist mit Ihnen?«
    Molly schmunzelte. »Ich bekomme die Rechnungen.«
    Langsam fuhr Harry die gewundene Auffahrt entlang und bremste dann vor den Stufen. Er stellte den Motor ab, zog den Schlüssel aus der Zündung und öffnete die Tür. Als er das alte,

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