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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Joshs sechzehntem Geburtstag, stand Leon Trevelyan vor der Türe zu Harrys Eigentumswohnung. Er forderte seinen Enkel zurück. Es sei an der Zeit, dem Jungen beizubringen, wie man einen Rennwagen fahre, erklärte er. Glücklicherweise war Josh an diesem Tag in der Schule. Harry führte Leon ins Büro, schloß die Tür und führte einen Ringkampf mit dem Teufel. Von Anfang an wußte er, daß er sich keine Niederlage leisten konnte. Wenn er versagte, würde der Junge auf denselben Weg geraten, den sein Vater und sein Großvater gegangen waren und der in eine vielleicht tödliche Sackgasse führte. Er gewann die Schlacht.
    Seufzend schob er die Erinnerungen beiseite. »Keine Sorge. Ich kümmere mich um Leon.«
    Josh wirkte außerordentlich erleichtert. »Danke.« Harry wandte sich wieder der Zeitung zu. »Was diese Verabredung für Freitag abend angeht …«, begann Josh erneut.
    »Was ist damit?«
    »Sei mir nicht böse, Harry, aber nach dem, was ich gestern abend beobachtet habe, bist du etwas eingerostet.«
    »Eingerostet?«
    Josh grinste. »Als Gegenleistung dafür, daß du mir Großvater vom Leib hältst, biete ich dir einige Ratschläge an.«
    »Ich glaube nicht, daß ich deinen Rat brauche.«
    »Sei dir dessen nicht zu sicher«, sagte Josh. »Da draußen herrscht das Gesetz des Dschungels.«
     
    Tessa Calshot füllte eben einen Glasbehälter mit ganzen Teeblättern, als Molly am Donnerstag morgen das Geschäft der Abberwick Tea & Spice Company betrat.
    »Morgen, Molly.« Tessa hievte den Sack mit den Blättern hoch. Sie trug ein ausgeblichenes Secondhand-Kleid im Stil der dreißiger Jahre. Ein Ärmel war hochgerutscht und gab den Blick auf eine kunstvolle Tätowierung auf ihrem rechten Arm frei. »Sei vorsichtig, wenn du in dein Büro kommst. Kelsey ist da. Sie experimentiert mit einer neuen Version ihres Gewürzpulverspenders.«
    »Danke für die Warnung.«
    »Immer wachsam – so bin ich. Vor allem seit der kleinen Episode mit ihrer Teeaufgußmaschine.« Tessa schüttete die letzten Blätter aus dem Sack. »Ich habe fast den ganzen Morgen gebraucht, um die Spritzspuren nach der Explosion zu beseitigen, wenn du dich erinnerst.«
    »Nur zu gut.« Molly lächelte ihrer Angestellten verschwörerisch zu. Tessa verbrachte ihre Abende mit einer Frauenband. Sie spielte Leadgitarre bei einer Gruppe, die sich Ruby Sweet nannte. So weit Molly dies beurteilen konnte, lag Tessas wahres Talent aber im Bereich Marketing und Verkauf. Darin war sie wirklich begabt – was konservative Geschäftsleute kaum bemerkt hätten, denn Tessa war nicht gerade ein »normaler« Typ. Ihr in spitzen Strähnen abstehendes Haar zeigte selten zwei Tage hintereinander die gleiche Farbe. Heute morgen leuchtete es neongrün. Dazu hatte sie die Lippen braun geschminkt. Tessa liebte Kleidung aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die formlos um ihren kleinen, stämmigen Körper hing. Sie kombinierte sie mit klobigen Plateauschuhen und vielen Stahlkettchen. In der Nase trug sie einen Goldring. Ein anderer war durch ihre Braue gezogen.
    Molly hätte es nichts ausgemacht, wenn Tessa nackt zur Arbeit erscheinen würde. Als Verkäuferin war sie ein Naturtalent. Sie hätte ein Vermögen mit Kommissionsgeschäften bei Nordstrom machen können, wenn sie bereit gewesen wäre, sich dem anspruchsvollen Image der exklusiven Modefirma entsprechend zu kleiden. Zu Mollys Glück weigerte Tessa sich, über diese Möglichkeit auch nur nachzudenken. Die Touristen, die einen großen Teil von Mollys Kundschaft ausmachten, fanden Tessa faszinierend. Oft fragten sie, ob sie ein Foto von ihr machen dürften, nachdem sie ihre Einkäufe getätigt hatten. Wahrscheinlich konnten sie es nicht erwarten, die Bilder ihren Freunden in Kansas zu zeigen. Die Fotos von Tessa dienten als Beweis, wie anders die Verhältnisse an der Küste doch waren … Auch Kunden aus Seattle mochten Tessa. Sie waren an das ausländische Bedienungspersonal in den zahllosen Bars und Cafés der Stadt gewöhnt. Tessa erinnerte sie an die fremdsprachigen Serviererinnen, die ihnen den Milchkaffee brachten.
    Die Verbindung der vertrauten Welt von Seattles Kaffeekultur mit dem exotischen Reich von Tee und Gewürzen war ungewöhnlich, aber einträglich. Molly und Tessa hatten die Verknüpfung geschickt hergestellt.
    »Wie lief das Treffen mit T-Rex gestern abend?« fragte Tessa, während sie den Glasbehälter schloß.
    »Es wurde kompliziert«, antwortete Molly.
    Tessa stützte die Ellenbogen auf den Tresen.

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