Traeume wie Samt
zu Leidenschaft und unnachgiebigem Willen, obwohl die leuchtenden Augen hinter den geschlossenen Lidern verborgen waren.
Molly lachte leise über ihre romantischen Fantasien. Offenbar war sie dabei, sich zu verlieben. Oder es war längst geschehen. Na und? fragte sie. Sie hatte lange genug auf den richtigen Mann und ihr Glück gewartet. Die Verantwortung, die für Jahre ein Teil ihres Lebens gewesen war, schien plötzlich leicht, ganz ohne Gewicht. Noch nie hatte sie sich freier gefühlt. Sie dachte über die Enthüllungen nach, die ihr die Nacht gebracht hatte. Eines wußte sie nun sicher. Harrys Fähigkeit zur Leidenschaft und sein scheinbar unerschütterlicher, unbeugsamer Wille wurden von einer verblüffenden Verletzlichkeit gemildert.
Nie würde sie den Blick in seinen Augen vergessen, als er sie angefleht hatte, mit ihm zu schlafen. Offenbar ahnte er die Tiefe ihrer Gefühle nicht, sonst hätte er gewußt, daß Betteln nicht nötig gewesen wäre. Wenn er es jetzt nicht merkte, war er blind.
Sie erinnerte sich an die stoische Hoffnungslosigkeit, die sie in den ersten zarten Augenblicken an ihm wahrgenommen hatte. Die Trostlosigkeit in seinem Blick hatte sie verwirrt. Auch jetzt war sie verwundert. Harry hatte ausgesehen, als hätte er erwartet, zurückgewiesen zu werden. Ein Mann wie er würde nicht mit Absicht Verletzlichkeit vortäuschen. In der vergangenen Nacht war er in einer seltsamen Verfassung gewesen, selbst nach seinen Maßstäben.
Molly dachte an die Schweißperlen auf seiner Stirn und die tiefen, angespannten Furchen in seinen Zügen. Zuerst hatte die fiebrige Hitze seines Körpers sie erschreckt, und sie hatte Harry für ernsthaft krank gehalten, als sie ihn allein in der Dunkelheit hatte stehen sehen. Er hatte es abgestritten und ihr mit heißblütiger Vitalität bewiesen, wie gesund er war.
Sehr seltsam
Molly überdachte die Situation. Zugegeben, ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet waren begrenzt, aber der gesunde Menschenverstand sagte ihr, daß Harry, ganz gleich, was ihm in der Nacht gefehlt hatte, nicht an Lebensmittelvergiftung gelitten hatte. Der Moment, als er zum erstenmal in sie eingedrungen war, würde für immer in ihrer Erinnerung haften bleiben. Da war mehr als nur Leidenschaft gewesen. Als hätte Harry sich in diesem Augenblick untrennbar mit ihr verbunden. Die intensive Begegnung hatte beide erschöpft. Sie waren augenblicklich eingeschlafen, nachdem ihre Körper zusammen den Höhepunkt erlebt hatten.
Andererseits hatte ihre Fantasie sie vielleicht nur mitgerissen, überlegte Molly. Unter den gegebenen Umständen wäre das sehr leicht möglich. Sie fühlte sich zu energiegeladen, um liegenzubleiben, und schob die Decke beiseite. Während sie aus dem Bett stieg, achtete sie darauf, Harry nicht zu wecken. Beim ersten Schritt fuhr sie wegen der Schmerzen in den Muskeln zusammen, die nicht an Aktivitäten wie jene der vergangenen Nacht gewöhnt waren. Sie hielt den Atem an, erholte sich aber sofort und tapste barfuß über den grauen Teppich. Auf halbem Weg blieb sie stehen, hob den Bademantel und das Nachthemd auf und betrat das weißgekachelte Bad.
Sie hängte die Sachen an einen Haken, schob die Glastüre auf, drehte das Duschwasser an und trat unter den heißen Strahl. Die Empfindung war herrlich. Sie war bester Laune und hatte das Gefühl, daß alles an diesem Tag wunderbar sein würde. Als sie eben begann, sich mit einem dicken Stück unparfümierter Seife einzuseifen, wurde die Duschtüre ohne Vorwarnung geöffnet. Sofort trat Dampf aus und vernebelte den Raum. Erstaunt wandte Molly sich um. Blinzelnd preßte sie das Wasser aus den Augen.
Harry lehnte, von Dampfschwaden umhüllt, in der Öffnung. Unter der heißen Intensität seines Blicks errötete Molly von Kopf bis Fuß. Instinktiv legte sie die Hände auf das dunkle Haardreieck zwischen ihren Beinen, eine archaische, sinnlose Geste. In der vergangenen Nacht hatte Harry alles von ihr gesehen. Falsche Bescheidenheit schien er nicht zu kennen, stellte Molly mit Interesse fest, denn er war direkt aus dem Bett zu ihr gekommen, ohne sich die Mühe zu machen, einen Bademantel überzustreifen. Sein Körper zeigte alle Zeichen der Erregung, und in den bernsteinfarbenen Augen stand unverhüllte Sinnlichkeit. Doch etwas an ihm war anders an diesem Morgen. In seinem Blick schimmerte nicht mehr jene verzweifelte Verletzlichkeit, die in der vergangenen Nacht so deutlich sichtbar gewesen war. Jetzt musterte er sie mit glühender
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