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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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mir?«
    Harry legte die Arme auf das erhöhte Seitengitter des Krankenbetts und schloß die Hände lose ineinander. Schweigend blickte er auf die zerfurchten Züge seines Onkels hinunter. Molly konnte seine Augen sehen. Sie waren hart wie polierter Bernstein, doch sie hätte schwören können, daß unter der Oberfläche Schmerz brannte. Harry tat nicht gern, was er nun tun würde, aber er würde es durchstehen. Josh ging vor. »In wenigen Minuten schicke ich Josh wieder zu dir herein. Ich erwarte von dir, daß du ihn von der Vergangenheit befreist.«
    »Was soll das heißen?«
    »Es soll heißen, daß du ihm sagst, die Zeiten hätten sich geändert. Die Tage des wilden Lebens und der tollkühnen Risiken seien für immer vorbei. Sag ihm, sein Vater hätte niemals gewollt, daß Josh in seine Fußstapfen tritt. Und versichere ihm, daß du es ebenfalls nicht von ihm verlangst. Sag ihm, daß er den neuen Weg, den er gewählt hat, weitergehen soll. Daß du stolz auf ihn bist. Gib ihm deinen Segen, Leon.«
    »Verdammt, Harry, du verlangst von mir, daß ich ihm sage, es wäre in Ordnung, wenn er wird wie du? Du willst, daß ich ihn ermutige, sich von der Tradition der Trevelyans abzuwenden?«
    »Ich will, daß du ihm sagst«, begann Harry mit unerbittlicher Entschlossenheit, »du hast dich während all der Jahre geirrt. Und jetzt ist dir bewußt geworden, daß die Zeit für eine neue Männergeneration bei den Trevelyans gekommen ist. Es ist an der Zeit, daß die Trevelyan-Männer sich auf ihren Verstand und nicht mehr auf den Bauch und die Reflexe verlassen.«
    »Warum sollte ich das tun?« zischte Leon. »Du hast ihn bereits überzeugt, die Universität zu beenden. Reicht dir das nicht?«
    »Für ihn ist es nicht genug. Er liebt dich, Leon. Er will deine Zustimmung. Aus deinem Mund. Du mußt ihm sagen, daß du ihn nicht länger für einen Versager hältst, nur weil er einen Weg gewählt hat, der ihn von den schnellen Wagen und dem harten Leben auf dem Jahrmarkt wegführt.«
    »Ich bedeute Josh nichts.« Leons Stimme klang angestrengt vor Bitterkeit. »Du bist seit Jahren sein Held. Seit du ihn von seiner Familie weggebracht hast.«
    »Da irrst du dich. Du bist sein Großvater, und das kann nichts und niemand ändern. Er braucht etwas von dir, das ich ihm nicht geben kann, Leon. Er muß wissen, daß du seine Ziele billigst. Dadurch machst du es ihm sehr viel leichter.«
    »Und wie lauten deine Konditionen diesmal?«
    Harry hob die Schultern. »So wie immer. Wenn du Josh gibst, was ich verlange, werde ich ihm nichts über Willy sagen.«
    »Mist. Ich wußte, daß du wieder damit anfängst.« Leons Gesicht verzerrte sich unter Schmerzen. Er atmete wieder rasselnd ein. »Wie weiß ich, daß ich dir trauen kann?«
    Für einen Moment schwieg Harry. »Habe ich dich jemals belogen, Onkel Leon?«
    Leons Antwort verlor sich in quälendem Husten. Als er sich erholt hatte, sah er mit verschwommenem Blick zu Harry hinauf. »Du hast gewonnen, Mistkerl. Schick ihn herein, und dann verschwinde. Ich erledige das auf meine Weise.«
    Harry straffte sich. »Sicher.« Er sah Leon für einige Sekunden an. Molly spürte die tiefe Traurigkeit, die von Harry ausging. Sie wußte, daß er noch etwas anderes sagen wollte. Etwas, das weder eine Drohung noch eine Erpressung war. Vielleicht einige friedenstiftende Worte. Ein Angebot, den offensichtlich alten Krieg zu beenden. Doch in diesem kurzen Augenblick verstand Molly auch, daß Harry nicht wußte, wie er den ersehnten Frieden erlangen sollte. Er hatte Leon gebeten, Josh von der Vergangenheit zu befreien, doch für sich selbst konnte er nicht um dieses Geschenk bitten.
    Wortlos wandte er sich vom Bett ab. Molly begegnete seinem Blick im Halbdunkel. Sie streckte die Hand aus. Er nahm sie, und seine Finger schlossen sich fest um ihre. Gemeinsam verließen sie das Krankenzimmer.
    »Es war richtig unheimlich.« Josh nahm das Tablett und trug es zu einem der kleinen Tische der Krankenhauskantine. »Mir kam es vor, als versuchte Großvater sich zu verabschieden. So habe ich ihn noch nie erlebt. Er war völlig verändert. Nicht so hart. Viel älter. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Er hat heute nacht eine Menge durchgemacht.« Molly setzte sich und nahm die Plastiktasse vom Tablett. »Wahrscheinlich mußte er über vieles nachdenken.«
    »Ja, so wird es sein.«
    Molly wußte, daß Harry und nicht der beinahe tödliche Autounfall für die Veränderung in Leons Haltung verantwortlich war. Er hatte kein

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