Träume(h)r (German Edition)
nie den Gedanken gehabt hatte auszuziehen.
»Wenn du willst, kannst du heute bei mir im Wohnzimmer auf der Couch schlafen. Immerhin wird heute getrunken, denn wir haben etwas zu feiern. Wir sind frei!«, schrie Marc aus dem Fenster, nachdem er das Gespräch mit seiner Mutter beendet hatte und ließ den Motor des Golfs aufheulen, wodurch die Aufmerksamkeit einiger Fußgänger auf sie gelenkt wurde.
»Gute Idee! Bei deinem Lebensstandard würde ich auch für immer bei dir einziehen. Dich sogar komplett ersetzen. So richtig mit adrettem Kurzhaarschnitt und einem Finger weg!«, entgegnete ihm Ole scherzhaft, sich den damit verbundenen Luxus vorstellend.
»Unersetzbar!«, lachte Marc und bevor sich die zwei Studienabbrecher endgültig auf den Weg zu ihm nach Hause machten, fuhren sie noch kurz bei einem nahegelegenen Supermarkt vorbei, um sich für den Abend mit genügend Alkohol und Snacks einzudecken.
Zuhause erwartete die beiden Freunde bereits ein Festmahl, da Marc vom Auto aus angerufen und seiner Mutter ihre voraussichtliche Ankunftszeit mitgeteilt hatte.
Für Clara bedeutete dies in etwa das Startsignal für einen Kochwettbewerb. Sie fragte nach bestimmten Wünschen der Jungs, aber da den ehemaligen Studenten spontan nichts einfiel, griff sie in ihre Karteikartenbox und fischte Putenschnitzel in Safran-Zucchini-Sauce heraus. Als Beilage konnte man dann zwischen Kartoffeln und Reis wählen. Dazu ein Rucolasalat mit Parmesankäse. Der Nachtisch würde aus selbst gemachter Eiscreme mit Schokoladen-Sauce bestehen.
Schon vor dem Haus duftete es und ehe Ole die Türschwelle erreichen konnte, wurde er von Marc mit den Einkäufen zur Seite gedrängt und dabei finster angesehen.
»Kein Wort zu meinen Eltern, Ole. Das muss ich denen irgendwann selbst beibringen, aber jetzt bloß kein Sterbenswörtchen darüber verlieren! Dann würde nämlich unser grandioser Tag katastrophal enden. Das einzige Kind meines Vaters darf kein Studienabbrecher sein!«, sagte Marc, wobei nicht das geringste Anzeichen von Ironie seiner Stimme zu entnehmen war.
Im Esszimmer wartete das üppige Menü. Die beiden wurden wie Ehrengäste behandelt und von Clara zu dem Tisch geführt, worauf ein absoluter Gaumenschmaus für sie bereitstand. In diesen Worten lobte Ole zumindest Marcs Mutter für ihre Kochkünste.
»Sie sind eine begnadete Köchin Frau Fröhlich. Marc kann sich wirklich glücklich schätzen in diesem Elternhaus groß geworden zu sein. Wenn sie irgendwann einmal den Gedanken einer Scheidung hegen, dann behalten sie mich im Hinterkopf. Als ihr Mann, wäre ich dann zugleich der Vater meines besten Freundes. Glücklicher könnte ich niemals werden!«, spaßte er und empfing als Belohnung einen festen Tritt gegen das Schienbein, der unter der massiven Tischplatte verdeckt blieb.
Nachdem sie sich bedankt hatten, gingen die Zwei hinauf zu Marcs Stockwerk, wo Ole nachträglich in den Schwitzkasten genommen wurde, um sicher zu stellen, dass er aufhören würde Marcs Mutter zu belästigen. Ihr Clinch endete damit, dass sie zur Versöhnung ein Bier tranken und erst auf ihre Entscheidung, dann auf ihre Zukunft und als Letztes auf die Entlarvung Sörings anstießen.
Dabei fiel Ole auf, dass Tyler_Durden87 noch die Wahrheit über den Professor in die Öffentlichkeit streuen musste, woraufhin er ein klobiges Notebook aus seiner Umhängetasche zog und sich sofort an die Arbeit machte. Schon während des Abiturs war das Bloggen zu Oles Hobby geworden. Obwohl er keine nennenswerte Leserschaft für seine gesellschaftskritischen Artikel besaß, suchte er trotzdem immer wieder leidenschaftlich neue Missstände in der Gesellschaft heraus, die er thematisierte.
Während sein Kumpel mit dem Computer beschäftigt war, holte Marc aus einer Ecke des Wohnzimmers eine alte Kiste hervor, worin sich dutzende Schallplatten befanden. Nach kurzer Suche, hatte er die Richtige gefunden und legte sie sorgfältig auf das Grammophon, das direkt neben der Kiste auf einer antiken Kommode stand. Mit einem sanften Rauschen fuhr die Nadel über die Oberfläche der Scheibe und es ertönte Frank Sinatras Stimme aus dem Inneren des großen Lautsprechers.
In der Zwischenzeit hatte Ole Marcs Telefon mit seinem Laptop gekoppelt und damit begonnen die Aufzeichnung des Gesprächs zwischen Söring und Marc herunterzuladen. Es dauerte fast vierzig Minuten, bis er mit dem Zurechtschneiden des Tonmaterials fertig war. Daraufhin formulierte er einen aussagekräftigen Artikel und
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